Montag, 30. Januar 2012

Fette Fusselratten



Wie schade ist es eigentlich, dass sich Millionen Eltern über die unaufgeräumten Zimmer ihrer Kinder ärgern. Klamme Sockenknubbel auf dem Teppich, Kaugummi-Papier zwischen Schulheften, unfertige Puzzles (kauft niemals ein 1000-Teile-Puzzle), winzige Lego-Glasbausteine, die sich schmerzhaft in Mutters nackten Fuß prägen. Es ist nicht so, dass mir ein solches Chaos fremd wäre (nein, ich richte jetzt keine Webcam in die Zimmer meiner Kinder, sie würde beschlagen von der schlechten Luft darin, und in dem Wirrwarr der Objekte wüsste der Autofokus nicht, worauf er scharf stellen sollte.)

Ich mache innerlich immer das, was ich den Sterbebett-Test nenne: „Ist diese Sache so wichtig, dass ich mich in meinem letzten Stündchen damit befassen werde? Werde ich daliegen und hauchen 'Verzeiht mir, dass ich Euch das Sortieren der Wäsche nicht beigebracht habe. “ Wohl kaum. Also weg mit dem Ärger.

Was verschwenden wir soviel Energie auf das leidige Thema „Aufräumen“? Schluss damit. Ich betrete die Zimmer meiner Kinder nur noch zum Kuscheln, Vorlesen, Rückenkratzen, Kissenschlachten, Tanzen oder zum gemeinsamen Spaßrenovieren. Und wer möchte, dass einmal pro Woche darin sauber gemacht wird, muss vorher aufräumen, sonst kommt ein Polizeisperrband davor und Mutter zeigt sich unbeeindruckt davon, wenn sich immer längere Spinnfäden von der Schreibtischlampe zum Bücherregal ziehen und die Wollmäuse unterm Bett zu fetten Fusselratten werden.

In der Kommunikation mit meinen Kindern haben sich Türklinkenschilder bewährt, wie man sie aus Hotels kennt. Diese hier habe ich für die Kinder gebastelt. Am Tag bevor die Frau kommt, die uns einmal pro Woche beim Saubermachen hilft, hänge ich die Aufforderung zum Aufräumen an die Kinderzimmer. Wer nicht aufgeräumt hat, dreht das Schild am anderen Morgen um. Dann weiß unsere Hilfe: hier ist Sperrgebiet, Betreten unzumutbar.  





Das Schöne an den Schildern ist, dass sie nicht rumbrüllen oder die Kinder abwerten. Sie sind aus Pappe, kennen keinen Groll und können keine Sätze schreien wie: „Wie oft soll ich Dir noch sagen ...“ oder „Immer muss ich …“ Sie erinnern mich mit ihrer sachlichen Freundlichkeit an unser Navigationsgerät im Auto. „Nach fünfhundert Metern rechts abbiegen ...“, „Nach Möglichkeit bitte wenden.“ Kann nicht jemand da draußen mal ein Navigationsgerät erfinden, das Kindern beim Aufräumen hilft. Es würde sagen: „Bewege Dich auf den bunten Haufen 50 Zentimeter neben dem Schrank zu, streiche das T-Shirt glatt, lege die Jeans zusammen, rieche zur Kontrolle an den gestreiften Socken. Du steuerst gerade auf die Spielkonsole zu, bitte wenden, bitte wenden, hänge das Hemd auf einen Bügel, lasse den I-Pod links liegen, lege die Stifte auf den Schreibtisch, du hast Dein Ziel erreicht.“

Bis ein solches Gerät entwickelt ist, setze ich auf die Türschilder. Ich habe sie aus Pappe ausgeschnitten und die Aufschrift aufgeklebt  ... und was soll ich sagen: es klappt (seit drei Wochen, ich halte Euch auf dem Laufenden)

Immer fröhlich bleiben

Uta