Donnerstag, 30. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 147: Bollywood im Taxi


"Vier Fünftel der Weltbevölkerung betrachten das Leben als eine Prüfung, als Drangsal und Leiden, als Probezeit, als abzutragende karmische Schuld, als Schule der harten Lektionen, die gelernt werden müssen, ..." (aus: Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott, S. 308)

Die Hamburger Taxifahrer Lovely und Monty Bhangu gehören zu dem restlichen Fünftel der Menschheit, für die das Leben ein Fest ist. Die beiden Brüder aus Indien spielen in ihrem Taxi fröhliche Bollywood-Musik und haben inzwischen eine eigene CD mit deutschen Texten zu indischer Musik produziert.

"Elbchaussee bis Airpo-o-o-rt,
volles Leben ist do-o-o-rt,
willst du Stress unte-e-e-rdrücken,
gehst du an Landungsbrü-ü-ü-cken."

Das ist nicht Rilke, aber so lebensfroh und lustig, dass ich dem Soßenkönig die CD und einen Gutschein für eine Taxifahrt mit Lovely oder Monty zu seinem Geburtstag diese Woche geschenkt habe. Lovely kam vorbei und brachte persönlich die CD und diese Autogrammkarte.





Jede Menge Baustellen in Hamburg, Straßen mit Schlaglöchern, Dauerregen, Dauerstau, unfreundliche Fahrgäste, Ausländerfeindlichkeit ... Lovely und Monty hätten eine Menge zu klagen, wenn sie nicht beschlossen hätten, fröhliche Menschen zu sein und Musik zu machen.

Euch haben wir es zu verdanken, dass wir diese Woche so viel Spaß hatten. Danke!

Immer schön fröhlich bleiben

Uta


PS: Mir ist es nicht gelungen, das Video der singenden Taxifahrer hoch zu laden, aber hier ist der Link, wenn ihr es euch anschauen und mitsingen möchtet.

Freitag, 24. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 146: Fluch oder Segen


In dem Buch "Der Geschichtenerzähler oder das Geheimnis des Glücks" von Joel ben Izzy gibt es eine Geschichte über einen weisen Mann.
Als dieser ein besonders schönes Pferd erwarb, gratulierten alle Nachbarn und waren sich darin einig, dass der Mann gesegnet sei.

"Mag sein", erwiderte er. "Aber was wie ein Segen aussieht, könnte auch ein Fluch sein."

Wenig später ritt sein Sohn auf dem Prachthengst, fiel herunter und brach sich ein Bein. Diesmal kamen die Nachbarn und bedauerten den Mann.

 "Mag sein", erwiderte er. "Aber was wie ein Fluch aussieht, könnte auch ein Segen sein."

Kurz darauf brach ein Krieg aus. Alle jungen Männer des Dorfes wurden für den Wehrdienst eingezogen. Allein der Sohn des weisen Mannes durfte wegen seines gebrochenen Beines zu Hause bleiben. Er war schließlich der einzige, der überlebte. (stark verkürzt aus "Der Geschichtenerzähler ....", S. 16)

Was wie ein Fluch aussieht, könnte auch ein Segen sein. 

Dieser Satz fällt mir immer ein, wenn ich mich in einer misslichen Lage befinde.

Misslich ist ja auch dieser Regen da draußen.

Die Perlhyazinthen ersaufen in ihrem Topf ohne Abfluss. Die verwelkten Blüten des Apfelbaums liegen wie nasser Schnee auf dem Rasen.

Wollen wir alle dieses Frühjahr Reis anbauen und mit riesigen Hüten durch unsere terrassenartig angelegten Gärten waten?

Dieses Dauer-Tief ist aber auch ein Segen. Und jetzt kommen wir über Rasse-Pferde und Reis-Terrassen zu dem, was ich eigentlich sagen wollte:

Wegen der Wetterlage gab es bisher kein Schulschwimmen. Und das ist ein Segen.

Zu der Schule unserer Kinder gehört ein altes Freischwimmbecken, in dessen kaltes Wasser kernige Sportlehrer die Kinder schicken, kaum hat das Quecksilber die 10-Grad-Marke überwunden. Auch für Prinzessin (12) rückte dieser Tag bedrohlich nahe. Bedrohlich deshalb, weil die einzige Schwimmbekleidung, die sie mag, ein putziger Bikini ist. Bei seiner Herstellung wurde Millimeterware verwendet. Das meiste davon für die Rüschen, die an Po und Oberteil noch stärker zur Geltung bringen, was pubertierende Jungen um den Schlaf bringt.

Ich habe mich dieser Tage nicht nur mit Geschichtenerzählern befasst, sondern auch mit den Fakten aus dem Buch "Das männliche Gehirn" der Neuropsychiaterin Louann Brizendine. In dem Kapitel "Das Gehirn des Teenagers" schreibt sie, "dass das Testosteron im ... Hypothalamus die Schaltkreise für sexuelles Verlangen (bei Jungen, Anmerk. der Bloggerin) ungefähr doppelt so groß werden lässt wie im Gehirn eines Mädchens. Von nun an ist das männliche Gehirn so strukturiert, dass sexuelle Bestrebungen an vorderster Front stehen. ... Diese intensive Beschäftigung mit Sexualität ähnelt dem Großbildfernseher in einer Sportbar: Sie läuft ständig im Hintergrund."

Professor Brizendine meint, dass die meisten Mütter nicht das ganze Ausmaß der Veränderungen begreifen würden, die sich im Gehirn ihres heranwachsenden Sohnes abspielen würden.

Okay, ich habe begriffen. Und ich habe nicht nur einen Sohn, bei dem einschlägige Sendungen auf dem Hypothalamus laufen, sondern auch eine Tochter, die es vor Mitschülern zu schützen gilt.

Besonders seit sich Schüler als Sportassistenten ausbilden lassen können und bei Turnfesten Hilfestellung am Reck oder Barren geben. Eigentlich geht es diesen Jungs aber um die Bay-Watch-Nummer am schulischen Freischwimmbecken.


Das Blickfeld eines männlichen Teenagers in den Zeiten des "Testosteron-Tsunamis".

Als Prinzessin mir im vergangenen Sommer erzählte, ein Junge aus den höheren Jahrgängen habe sie am Rande des Schwimmbeckens gefragt, in welche Klasse sie ginge, gab es für mich kein Halten mehr.  Ich tippte "Sportbadeanzug mit Rollkragen" in die Google-Leiste ein. Die Suchmaschine brauchte ungewöhnlich lange. Schließlich spuckte sie Hersteller aus, die sowohl Badeanzüge als auch Rollkragenpullover führen. Aber keiner hatte den modischen Mut, beides zu kombinieren.
Ob Prinzessin bereit wäre, einen Neopren-Anzug zu tragen?

Ich klapperte Sportgeschäfte und Kaufhäuser ab, aber kein Modell fand die Gunst von Madame Meerjungfrau. Es wurde Herbst, Winter und noch mal Winter. Kaum war es ein bisschen wärmer, eröffnete die Klasse von Kronprinz (15) die Freibadsaison. Es wurde immer enger. Im Rüschen-Bikini und auch zeitlich.

Aber dann kam der Regen. Tagelang. Und endlich entdeckte ich in einem örtlichen Sportgeschäft einen Badanzug, der Gnade vor Prinzessin fand.

Jetzt kann der Sommer und das Schulschwimmen kommen.

Immer fröhlich im Fluch auch den Segen sehen

Uta

Sonntag, 19. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 145: Heilsame Bockigkeit


In seinem Buch "Dein kompetentes Kind" schreibt Jesper Juul, dass jeder Mensch um eine Balance zwischen Kooperation und Integrität ringe.

Wann passe ich mich anderen Menschen an, wann muss ich Partei ergreifen für mich selbst, für den Menschen, der einmalig in mir angelegt ist?

Die Kooperations-Fotos vom Bügeln, Mit-Fußball-Gucken, Aufräumen der Kinderzimmer und Addieren von Steuererklärungs-Belegen erspare ich euch. Aber was für meine Integrität wichtig ist, zeigen folgende Fotos.

In diesen Situationen erblüht mein Selbst.

Es zu Hause schön machen.

Mit Tieren leben.

Im Garten arbeiten.
Zum Stepptanzen gehen. 

Sehr viel stärker als Menschen in der Lebensmitte (so wie ich) ringen Kinder um die Balance von Kooperation und Integration.

Das Kleinkind, das die Lippen zusammenpresst, weil es nicht mehr essen mag, der Junge, der im Torwart-Dress in den Kindergarten möchte, das Mädchen, das Lina nicht zu ihrem Kindergeburtstag einladen möchte, nur weil es die Tochter von Mutters Freundin ist, der Teenager, der nicht konfirmiert werden möchte ...
"Inzwischen wissen wir, dass Kinder im Konflikt zwischen Integrität und Kooperation - in den sie, wie die Erwachsenen, jeden Tag Dutzende von Malen geraten - sich in neun von zehn Fällen für die Kooperation entscheiden. Kinder brauchen keine Erwachsenen, die ihnen beibringen, wie man sich anpasst oder kooperiert. Sie haben hingegen einen dringenden Bedarf an Erwachsenen, die ihnen zeigen, wie man im Zusammenspiel mit anderen seine Integrität wahrt." (Jesper Juul: Dein kompetentes Kind, Hamburg 2003, S. 48)

Sehr erhellend finde ich, wie Juul darlegt, dass Kinder, die wir als bockig und höchst unkooperativ empfinden, im Grunde einer Familie einen großen Dienst erweisen können, wenn die Erwachsenen endlich genauer hinschauen würden.

Ich habe das mit Kronprinz (heute 15) erlebt in der Zeit, als er zwischen 6 und 9 Jahre alt war. Einmal rannte er im Streit aus dem Haus, geradewegs in Richtung der vierspurigen Hauptstraße. "Du kannst mich mal!"
Ein anderes Mal sprang er fast aus dem fahrenden Auto, warf draußen die Mülltonnen um oder trat nach mir.

Häufig war ich ratlos und verzweifelt.

Schließlich meldete ich mich in einem Seminar zur Persönlichkeitsbildung an und stellte fest, dass ich ein Männer-Bild mit mir herumtrug, mit dem mein Mann sich irgendwie arrangiert hatte, gegen das unser Sohn aber offensichtlich rebellierte. Meine Ablehnung von Gewalt, mein überhöhter Harmonie-Anspruch, mein Nett-Sein-Syndrom, meine tief sitzende Einstellung, dass wir Frauen mit unseren sozialen Werten und unserem Desinteresse für schnelle Autos, Geld und Macht irgendwie die besseren Menschen seien ...

Als ich zurückkehrte, hatte ich mich wohl so sehr verändert, dass die Konflikte mit Kronprinz wie weggeblasen waren. Ein Quantensprung in unserer Beziehung.

Ich bin heilfroh, dass ich irgendwann damit aufgehört habe, dem Jungen das Gefühl zu geben, wir Erwachsenen seien perfekt, nur mit ihm sei etwas nicht in Ordnung.
Ich bin heilfroh, dass ich ihn nicht zu einem Kinderpsychologen gezerrt oder sonst einer Therapie ausgesetzt habe.

Im Grunde hat er mit seiner Bockigkeit mir und der ganzen Familie einen großen Dienst erwiesen.

Juul würde sagen: Er war in höchstem Maße kooperativ.

Danke Kronprinz, danke Jesper Juul.

Immer fröhlich hingucken: Kämpft da mein Kind vielleicht um unser aller Integrität?

Uta

Dienstag, 14. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 144: Geschrei und Türenknallen


Vor ein paar Tagen klagte meine Freundin Inga, sie habe so viel Streit mit ihrer Tochter Sophie (13). Bei jeder Kleinigkeit gebe es Türenknallen oder Geschrei. Sophie wollte ein Betttuch auf ihrer Matratze haben, das viel zu groß für das Bett sei. Und sie, Inga, würde einen Anfall kriegen, wenn sie morgens dieses schlabbrige Laken angucken müsse. Und dann würde Sophie vor dem Frühstück Süßigkeiten essen, obwohl sie doch abnehmen wolle und Inga ihr gerade eine Zehnerkarte fürs Fitnessstudio spendiert habe.  Daraufhin habe Inga Sophie verboten, die Süßigkeiten aus dem Schrank zu nehmen. Es gab wieder Geschrei und Türenknallen ... siehe oben.

Was sollte ich dazu sagen? Ich habe selber ein Kind, das die Ernährungspyramide für sich auf den Kopf gestellt hat. Dem ist nur beizukommen, indem ich Süßigkeiten wegschließe und selber heimlich nasche.

Inga schaute ratlos in mein "Don't worry, be happy"- Gesicht.

"Ich weiß", seufzte sie erschöpft, "dass das alles nicht so tragisch ist. Aber ich kann auch nicht aus meiner Haut."

Doch sie konnte aus ihrer Haut.

Heute rief Inga mich an und erzählte, dass sie am Feiertag den Verwandtenbesuch abgesagt und sich eine Auszeit gegönnt hätte. Am Tag darauf hätte sie sich Zeit nur für Sophie genommen. Zusammen seien sie durch ein Möbelhaus gebummelt und hätten nach einem neuen Bett geschaut. Sogar Kinderkarussell sind die beiden gefahren, haben zusammen rumgealbert.

Zum Muttertag hat Sophie dann alle Töchter im Umkreis ausgestochen. Ein Drei-Gänge-Menü hat sie gezaubert mit einer Suppe aus selbstgehäuteten Tomaten. Sie hat Herzen aus Toastbrotscheiben gestochen und mehr als drei Stunden in der Küche geschuftet.

Dies ist eine Steilvorlage für mein Lieblings-Schaubild.

Wenn die Beziehung stimmt, geht Einflussnehmen automatisch (wechselseitig!). 

Liebe Inga, vor dem nächsten Türenschlagen immer fröhlich an Karussellpferde und Toastbrotherzen denken.

Deine Uta

Sonntag, 12. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 143: In Berlin


Ihr habt jetzt ein paar Tage nichts von mir gelesen, weil die glückliche Familie in Berlin war.

Eine Stadt mit so vielen Sehenswürdigkeiten und so viel Geschichte erschöpft mich schon, bevor ich da bin.

Was müssen wir den Kindern zeigen? Lieber die Mauer-Gedenkstätte in der Bernauer Straße oder ist das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen eindrucksvoller? Lieber den Reichstag oder die East-Side-Gallery? Lieber mit dem Holocaust befassen oder mit dem Bau der Mauer?

Oder nicht so schwere Themen? Vielleicht das Pergamon-Museum besuchen, ein Radiergummi im Ampelmännchen-Shop kaufen oder sich mit einer Curry-Wurst in den Tiergarten "bratzen" (Zitat Prinzessin)?

Als wir über den Potsdamer Platz schlenderten, kam die Kuppel des Reichstags in unser Blickfeld. Eine staatsbürgliche Feierlichkeit ergriff mich, ich tippte Prinzessin (12) an die Schulter und sagte: "Da trifft sich der Deutsche Bundestag, da steht Frau Merkel unterm Bundesadler, wenn du sie im Fernsehen sprechen siehst, da wird jedes Gesetz verabschiedet, das in unserem Land gilt."

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber ich erinnere mich, dass mir als Kind immer ein Schauer über den Rücken lief, wenn meine Eltern, meine Schwestern und ich im Renault 4 gequetscht über die Grenze nach Dänemark fuhren. "Wir verlassen Deutschland", dachte ich und setzte mich aufrecht.  "Gleich fahren wir über die entscheidende Linie. An dem Busch da vorne. Jeeee....tzt sind wir in einem anderen Land."

Kurz vor den ersten Dünen erlaubte ich mir, wieder zu atmen.

Dabei ist "Checkpoint Schilfgras" bei Flensburg historisch gesehen ein Fliegenschiss verglichen mit Checkpoint Charlie in Berlin.

Was die dänische Grenze mit dem Reichstag zu tun hat? Gar nichts. Aber mit Ehrfurcht vor so staatstragenden Dingen wie Grenzen, staatlicher Macht, Plenarsälen ...

"Also da", ich zeigte wieder auf die Kuppel, "wird über alle entscheidenden Dinge in unserem Land abgestimmt."

"Mama, das hast du schon vor fünf Minuten gesagt."

"Ja, aber es ist ja auch so wichtig."

Eigentlich hatte ich Wochen vor unserer Reise eine Reichstagsführung buchen wollen. Eigentlich.

Aber eine DVD über den Mauerbau hatte ich rechtzeitig bestellt. So haben wir am Vorabend der Reise die Dokumentation "Flucht in die Freiheit. Die Geschichte einer mörderischen Mauer"gesehen. Eindrucksvolle Animationen zeigen, wie der Grenzstreifen mit Stacheldraht, Wachhunden, Minenfeldern und Selbstschussanlagen immer mehr zum Todesstreifen wurde. Nachgestellt wurden spektakuläre Fluchtversuche. Man sieht einen Mann mit seinen Brüdern einen Tunnel graben, um Frau und Kinder zu sich nach West-Berlin zu holen, zwei Freunde nachts mit Surfbrettern über die Ostsee entkommen oder einen Familienvater aus Stoffbahnen einen Heißluftballon nähen. Diese persönlichen Geschichten verwoben mit Fakten über die Brutalität der Grenze haben auch Prinzessin sehr beeindruckt. (Der Film eignet sich meiner Einschätzung nach für Kinder ab zehn Jahren.)

So haben wir in Berlin keine Marco-Polo-Top-Ten-Sehenswürdigkeiten abgearbeitet, sondern sind gemütlich durch Friedrichshain gebummelt, haben Freunde besucht, die East Side Gallery gesehen und veganes Rührei probiert (na, ja).

Kurz vor unserer Abreise aber waren wir an der Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße.

Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße

Ohne zu meckern haben sich die Kinder Mauerreste und Gedenktafeln angeschaut. Und ich musste daran denken, dass Wissenserwerb am besten über das Schneeballprinzip funktioniert:

Wenn schon ein paar, möglichst persönlich berührende Informationen (Schneeball) vorhanden sind, kann weiteres Wissen leicht daran anknüpfen. An dem Schneeball bleibt auf dem Weg ins Tal immer mehr Schnee hängen und macht ihn zur Lawine.

Schnee, "Check Point Schilfgras", veganes Rührei? Schreiben hat eine merkwürdige Eigendynamik.

Immer schön fröhlich Berlin ansehen und vorher eine Doku gucken

Uta

Freitag, 3. Mai 2013

Glückliche Familie Nr. 142: Buch als Zapfsäule


Kennt ihr das, ...

... wenn man dem nachjagt, was einen glücklich macht und darüber immer unglücklicher wird
... wenn man sich zwingt, der Tochter den Rücken zu kraulen, obwohl man selber ein paar Streicheleinheiten gebrauchen könnte
... wenn man zu einer Preisverleihung eingeladen ist, sich beim Friseur die Haare hochstecken lässt und allein die Meisen ganz aufgeregt darüber sind, weil sie auf dem toupierten Oberkopf einen wunderbaren neuen Nistplatz entdeckt haben
... wenn man ein Kleidungsstück kauft, das einem farblich nicht steht und furchtbar zwickt* (im Schwäbischen: "Arsch frisst Hose auf")
... wenn man in einen Korb, randvoll mit nassen Socken in Schwarz-Grau-Blau, starrt, und nicht ein Fitzelchen Kraft in sich spürt, die erste Wäscheklammer aufzudrücken
... wenn man sich schämt, weil man alles hat (Mann, gesunde Kinder, Milchaufschäumer aus der Edelstahl-Edition und neuen Eyeliner mit Softhaarpinsel) und nicht jeden Moment in Dankbarkeit auf den Knien verbringt
... wenn man eine Ecke aufräumt und beim Wegtragen der störenden Teile in andere Ecken kommt, die auch dringend aufgeräumt werden müssen, und sich umzingelt fühlt von unaufgeräumten Ecken
... wenn man wie ein Blog-Kommentar-Junkie um den Laptop streicht und erschrickt, weil man ein XXL-Bedürfnis nach Anerkennung spürt und es zum Teufel jagen möchte
... wenn man überall "LOVE" liest auf Shabby-Kissen, Geschenkpapieren, trendigen Holzbuchstaben auf Kaminsimsen ohne Kamin und Momente hat ohne den geringsten Hauch von "Love is in the air"
.... wenn man keine Lust hat, einen Post zu schreiben, obwohl einen "das doch immer so glücklich gemacht hat" ....?

Also ich hatte ein paar Tage lang mit einer Niedergeschlagenheit zu kämpfen, die für einen klar denkenden Außenstehenden und für mich selber (das ist das Schlimmste) in keiner Weise nachzuvollziehen war.

Der Katzenabwehrgürtel am Ahorn unterm Nistkasten als Symbol für mein Innenleben.

Und dann kam der 1. Mai. Die Sonne mit ihrem Gescheine spottete meinem Unglück Hohn. Ich schlich in aller Frühe aus dem Bett, hatte die Eingebung, ich sollte nach "Gespräche mit Gott" von Neale Donald Walsch greifen und verbrachte eine Stunde mit dem Band im Lesesessel.

Kennt ihr das auch, dass einem ein Buch in einer Situation genau die Worte schenkt, die man braucht. So ein Buch wie eine Zapfsäule. Einmal Super, volltanken bitte.

"Innerhalb der wahren Ordnung der Dinge tut man nichts, um glücklich zu sein - man ist glücklich und tut deshalb etwas. Man tut nicht etwas, um mitfühlend zu sein, man ist mitfühlend und handelt deshalb auf bestimmte Weise." (Neale Donald Walsch: Gespräche mit Gott,  S. 279)

Man tut nicht etwas, um als liebevolle Mutter dazustehen, man liebt ... oder auch mal nicht. Alles andere ist unecht und nichts wert.

Es gibt nichts zu beweisen über mich oder über dich, es gibt kein richtig oder falsch in der Kindererziehung oder im Leben. Es gibt nur Dinge, die besser oder schlechter funktionieren.

Wenn man etwas tut, schreibt, kauft, backt oder umgräbt, weil man glaubt, man könnte seinen Wert als Person damit steigern, führt einen das früher oder später in den Burn-Out - egal um welche Art von Tun es sich handelt und egal, ob man Gymnastik macht oder nicht.

Ich las Seite um Seite, spürte meinen inneren Frieden zurückkehren, war voller Freude und Katzenhaare (Kampfschmusen mit Amy), fand Sonne und Hornveilchen nicht mehr kitschig und mich selbst wunderbar.

Prinzessin (12) kam die Treppe runter und kuschelte sich an mich. Mein Innenleben war auf Sendung. Denn wie sonst war zu erklären, dass sie mit mir Meisen guckte statt fern.

So gestärkt, hatte ich automatisch das Bedürfnis, gut zu mir zu sein. Ich duschte, verbrauchte eine halbe Dose Body-Butter, machte mir ein Müsli mit Früchten und genoss jede Haferflocke in meinem Mund.

Ich will euch nicht damit langweilen, dass ein wunderbarer Tag folgte. Ich will euch einfach nur sagen, dass ihr nichts über euch beweisen müsst. Gar nichts. Ich hab's jetzt auch kapiert.

Immer schön fröhlich sein

Uta