Mittwoch, 27. November 2013

Glückliche Familie Nr. 184: Party der Erleichterung


Vor zwei Wochen war ich zu einer Krebs-Vorsorge-Untersuchung. Das Ergebnis war unklar und verlangte weitere Untersuchungen. Die zweite Untersuchung konnte den Verdacht nicht klären und in mir breitete sich von Tag zu Tag etwas mehr Angst aus. Das dritte Verfahren schließlich brachte Klarheit und noch ein paar Tage später einen erlösenden Anruf. Alles gut! Danke!

Ich stieß einen Schrei aus, der - wie Prinzessin (12) berichtete - Vibrationen bis hoch in ihr Zimmer auslöste.
Ich kaufte Prosecco, Süßigkeiten, Chips, Lieblingslimonaden, das ganze Programm, drehte die Musik laut und alle tanzten, der Soßenkönig, Kronprinz, Prinzessin und am wildesten Königin Mutter. Wir lernten die Polka aus dem Tanzkurs vom Kronprinz ("Hacke-spitze, hacke-spitze - eins, zwei, drei"), wir tanzten "Memphis", schneller, immer schneller, wir lachten, prosteten uns zu, tanzten wieder und sackten erschöpft, verschwitzt und glücklich auf das Sofa.

"So einen schönen Abend hatten wir lange nicht mehr", sagte Prinzessin, als ich sie später ins Bett brachte.

Warum brauchen wir bloß immer einen Warnschuss, um unser Leben auszuschöpfen?


Strand-Tanz mit meinem Neffen und meinen Kindern vor Jahren am Hennestrand in Dänemark.
 Foto von meiner Schwester Nummer 3.

Warum tanzen wir nicht häufiger einfach mal so?

Warum bewundern wir Sonnenuntergänge nur im Urlaub?

Warum haben wir nicht immer einen Witz auf Lager?

Warum fragen wir unsere Kinder "Hast du deine Hausaufgaben fertig?" statt "Hat dich heute schon mal jemand durch gekitzelt?" oder "Habe ich erwähnt, dass ich dich liebe?"

Klar, "immer schön fröhlich sein", wie ich euch penetrant dazu auffordere, das ist nicht möglich. Das Leben braucht das Auf und Ab, um wirklich erfüllt zu sein. Trauer gehört genauso dazu wie überschäumende Freude, Angst genauso wie Leichtigkeit. So einen permanenten Ballermann-Spaß hält keiner aus. Krankheit, Verlust, Tod - das führt uns in die Tiefe, zum Wesentlichen.

Aber dieses diffuse negative Dazwischen, das könnten wir uns doch sparen, oder? Dieser Ärger über das Internet, das nicht funktioniert, über das Wetter, das uns nicht passt, über Parklücken, die sich nicht auftun, schlechte Noten in der Schule, Zahnbeläge ... Oder am schlimmsten diese schmutziggraue Suppe aus diffusen Ängsten und Sorgen über Dinge, die in 90 Prozent aller Fälle sowieso nicht eintreffen.

Apropos Zahnbeläge. Montag war ich mit Prinzessin bei der Zahnärztin. Während der Zahnreinigung saß ich im Wartezimmer, als die Prophylaxe-Helferin mich mit Leichenbitter-Miene in das Behandlungszimmer bat: "Ich möchte, dass Sie sich das mal ansehen."

Wurzelfäule, Zahn verschluckt, Parodontose im letzten Stadium?

Ich trat neben meine Tochter, die auf dem Behandlungsstuhl lag. Das schwenkbare Licht stand dicht über ihrem Gesicht und ihre Schneidezähne strahlten in einem grellen Pink. Das kam von der Farbe, die die Beläge sichtbar machen sollte. Pink, eigentlich überall.
Ich musste herzhaft lachen. So ein Textmarker-Grinsen. Ich liebte meine Tochter und sogar ihre Zahnbeläge noch mehr als sonst und strich ihr über die Stirn.

Die arme Prophylaxe-Helferin, die mich geholt hatte, damit ich meiner Tochter eine Standpauke halte! Sie sah mich an, als wäre ich nicht ganz dicht. Sie wollte ja auch bloß gründlich sein und konnte nicht ahnen, dass sich bei mir gerade eine paar Maßstäbe verschoben hatten.

Wart ihr auch mal so erleichtert? Hat euch das wachgerüttelt? Habt ihr was verändert? Wann habt ihr zuletzt eine Polka getanzt?

Immer fröhlich euer Leben ausschöpfen mit allen Höhen und Tiefen, häufiger mal die Musik aufdrehen und richtig ausgelassen sein

Eure Uta

Donnerstag, 21. November 2013

Glückliche Familie Nr. 183: Der Zucker-Dealer


Kronprinz (16) fragte mich, ob ich ihm blaue Lebensmittelfarbe besorgen könnte. Er hätte ein Video gesehen, in dem mit einem Kilogramm Zucker und Lebensmittelfarbe Kristalle hergestellt würden, die wie die Designer-Droge „Crystal Meth“ aussähen.

„Crystal Meth?“


Ich schluckte.


Ja, man sähe kaum einen Unterschied.


Will er meinen Einmachzucker tütchenweise in der Unterführung am S-Bahnhof verkaufen oder will er sich bei „Jugend forscht“ bewerben?


Mich beunruhigt, dass mein Kronprinz weiß, wie „Crystal Meth“ aussieht.


Mich tröstet, dass er mich in die Drogen-Herstellung einbeziehen will.

Wie immer in Situationen elterlicher Zerrissenheit, die wohl auch dann nicht aufhört, wenn die kleine Kartoffel vom ersten Ultraschallbild uns mit Piemont-Kirschen im Seniorenstift besucht, entscheide ich mich für Vertrauen: Ich suche im Supermarkt nach Lebensmittelfarbe.



Plätzchen-Ausstechen war gestern: Pseudo-Droge auf meinem Backblech.
Die blaue Lebensmittelfarbe verlor sich bei der enormen Zuckermenge.

Nicht nur Zucker, der nach Droge aussieht, sondern Zucker überhaupt gehört zu den Erzfeinden von Eltern. Der andere Erzfeind ist der Bildschirm. Zu viel Zucker, zu viel Bildschirm – an diesen beiden Fronten kämpfen alle Eltern.


Bei uns in der Küche liegen Süßigkeiten in den oberen Schränken. Je größer die Kinder wurden, desto höher wanderte alles, was zum Naschen ist: Schokoriegel und Pralinen oben neben den verstaubten Fleischwolf, bunte Zuckerstreusel hinter die Paniermehldose, Chips und Flips hinter den Karton mit dem Raclette-Gerät.


Unser Küchenprinzip „Immer höher, immer ungesünder“ hat aus den Kindern wahre Kletterkünstler gemacht. Prinzessin (12) bewegt sich auf der Arbeitsfläche wie eine Katze auf dem heißen Blechdach. Sie hangelt sich an den Oberschränken entlang, balanciert auf dem schmalen Grat zwischen Spüle und Abgrund und angelt mit dem Kartoffelstampfer die Lakritzen-Schnecken aus dem höchsten Oberschrank. Wenn sie meine Schritte im Flur hört, springt sie hinunter und hopst zwischen Geschirrspüler und Backofen, als müsste sie für die nächste Hip-Hop-Aufführung üben. Nur Liedpfeifen geht nicht wegen der Lakritz-Schnecken in den Backen.


Mit Süßigkeiten bin ich nicht so streng, weil ich bei Felicitas aus meiner Klasse gesehen habe, was passiert, wenn Eltern Süßigkeiten total verbieten. Felicitas Vater war damals Chefarzt der örtlichen Kinderklinik und sie durfte zu Hause überhaupt nichts naschen. Ihren Ausgleich fand sie am Kiosk neben dem Schulhof. Nie werde ich vergessen, wie sie zitternd da stand und sich mit beiden Händen Schokoküsse in den Mund stopfte. Diese Schaumküsse hatten für Felicitas mindestens ein Suchtpotenzial wie „Crystal Meth“.


Bei uns darf man sogar vor dem Mittagessen etwas aus den Oberschränken holen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Kohlrabi noch hart sind oder das Fleisch nicht ganz durch, weil ich mit einem Text fertig werden musste. Wenn ich dann in der Küche wirbele, brauche ich Nervennahrung. Und die will ich den Kindern nach einem anstrengenden Schultag auch nicht verbieten.


Auf einem meiner Backbleche ist die Zuckerpampe inzwischen bretthart geworden. Mit einem Messer hat Kronprinz die ersten Brocken gelöst und in Tütchen abgefüllt. Es sieht verboten aus.

Drei Beutel stopft er sich in die Innentasche seiner Jacke, steigt auf sein Fahrrad und winkt mir zu. Versonnen lecke ich an dem Messer mit den Resten von Pseudo-Crystal-Meth.

In die U-Haft werde ich ihm Lakritzschnecken mitbringen.

Immer fröhlich in Beziehung bleiben

Eure Uta

Sonntag, 17. November 2013

Glückliche Familie 182: Mobbing und wie es weiterging


Ich wollte euch berichten, wie diese Mobbing-Geschichte ausgegangen ist.

Meine Schwester erzählte am Telefon, dass der Schüler tatsächlich eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen wurde und außerdem - als soziale Tat - Scheinwerfer schleppen muss für die Theateraufführung einer anderen Klasse.

Ich muss noch korrigieren, dass es sich um einen Schüler der Klasse 9, nicht der Klasse 7 handelt, wie ich fälschlich geschrieben hatte.

Um "den Fall" wirklich beurteilen zu können, müsste man ihn genau kennen. Deshalb möchte ich ihn auch nicht weiter verfolgen. Uns fehlen einfach die Details.

*

Mein Neffe (14), Sohn von Schwester Nummer 3, ist vor ein paar Monaten bei einer Übernachtung in der Schule auch von einem Mitschüler fotografiert worden: schlafend mit einem Pommes im Ohr. 

Der Mitschüler hat das Bild nicht ins Netz gestellt. Meine Schwester hat bei den Eltern angerufen. Der Vater konnte glaubhaft beteuern, dass ihm der Vorfall leid tue und er mit seinem Sohn darüber sprechen werde. 

Für meinen Neffen ist die Sache damit erledigt. Und meine Schwester sagt, dass sie - von den Schwingungen, die sie von ihm empfange - sicher ist, dass es ihm gerade gut gehe in der Klasse, er neue Freundschaften im Lateinkurs vertiefen konnte und begeistert zum Rudern gehe. 

Pommes und Demütigung war gestern, heute wachsen ihm und den Freunden, die auch zum Rudern gehen, breite Schultern. 

Jemand Kluges hat mal gesagt: Es sind nicht die Ereignisse, die uns Kummer bereiten, sondern die Schlussfolgerungen, die wir daraus ziehen. 

*

Als mein Mann die dritte Klasse seiner Dorfschule besuchte, lauerte ihm eine Zeit lang ein Mitschüler auf dem Nachhauseweg auf und verprügelte ihn. 
Mein Schwiegervater nahm sich einen Vormittag frei, suchte seinen Sohn auf dem Schulhof und ging mit ihm zu dem Prügler. "Wenn du diesen Jungen noch einmal anrührst", sagte mein Schwiegervater und zeigte auf seinen Sohn, "wirst du nicht mehr wissen, an welche Stelle am Kopf die Ohren sitzen." 

Es ist nie wieder etwas vorgefallen. Und der Soßenkönig erinnert sich bis heute gerne (ach, bei so was kommen mir immer die Tränen), wie sein Vater beherzt für ihn eingeschritten ist. 

*

Als ich sechs Jahre alt war, hatte ich eine schlimme Lungenentzündung. Ich kam schließlich ins Krankenhaus, weil die Antibiotika nicht halfen. Als der Chefarzt kam und mir und meiner Mutter sagte, ich müsse operiert werden, habe ich geweint. Worauf der Chefarzt mich anfuhr, dass es auf der Welt Kinder gebe, die viel schlimmere Krankheiten hätten als ich. 
Meine Mutter hat viel Respekt vor Würdenträgern aller Art, aber da explodierte sie. Ich weiß nicht mehr, was sie alles sagte. Aber die Druckwelle, die durch das Zimmer ging, habe ich in warmer Erinnerung. 

*

Das waren kleine Geschichten von vorsichtigem und von beherztem Einschreiten, aber auch davon, es dann auf sich beruhen zu lassen. 

Ich glaube, wir brauchen
  • Eltern und Lehrer mit Führungskompetenz, Menschen, die schnell und beherzt eingreifen können
  • Eltern, die ein Gespür dafür haben, wie es ihrem Kind geht
  • Eltern, die Kinder nicht bestätigen in einer Opferhaltung, sondern beim Rudern, Karate, Kickboxen .... anmelden

Stark werden bei Abenteuern oder beim Sport.


Weg mit dem Moralisieren, Dramatisieren, Psychologisieren und lange Konferieren und den Mut haben, fröhlich einzuschreiten

Uta

PS: Erinnert ihr euch an Situationen, wo sich jemand in einem Konflikt beherzt für euch eingesetzt hat?
Oder vielleicht auch an den anderen Fall: Ihr musstet es alleine regeln und habt dabei viel gelernt? 

Dienstag, 12. November 2013

Glückliche Familie Nr. 181: Königin der Körperzellen


Gestern las ich ein älteres "Brigitte"-Dossier. Dort ging es darum, welches Verhältnis wir zu unserem Körper haben. Dass wir kontrollwütig mit einem Gerät joggen, das die Anzahl der verbrauchten Kalorien zählt. Dass es sogar Leute gibt, die mit einem kleinen Monitor am Körper überwachen, wie viele Tiefschlafphasen sie nachts hatten. Vom permanenten Auf-der-Waage-Stehen ganz zu Schweigen.

Kontrolle ist das eine, Wut und Hass auf den eigenen Körper das andere Phänomen.
Die Autorin erzählte von einer Yoga-Stunde, in der der Yoga-Lehrer die Gruppe bat, sich am Ende auf der Matte auszustrecken, die Augen zu schließen und sich vorzustellen, man trete als Herrscher seiner Körperzellen auf einen Verkündigungsbalkon und richte eine Ansprache an sein Volk.

Bei dieser Vorstellung bekam die Journalistin Herzrasen. Denn sie stellte mit großem Schrecken fest, dass ihre Rede aus Hass-Tiraden bestand. Sie beschimpfte ihre Untertanen, dass sie versagen würden beim Abbau der Fettpolster, Straffen der Haut, Abwehr der Grippe-Attacken und vielem anderen mehr.

Es war eine lange Liste. Bei mir wäre es Haarausfall, krumme Beine, Augenringe und Halskratzen. Und richtig ausfällig wurde ich neulich, als ich beim Ausknipsen der Nachttischlampe erstes Winkfleisch am Oberarm erblickte.



Ja, ja, dass man sich selber lieben soll, ist bekannt. Aber dieses Bild von den Abermillionen Körperzellen, die unter dem Verkündigungsbalkon stehen und auf meinen Zuspruch und meine Fürsorge warten, ging mir richtig unter die Haut, ... die Straffe, die Wunderbare, die mit Sommersprossen gesprenkelte, die an manchen Stellen charaktervoll Erschlaffende.

Eine Königin der Herzen will ich sein für meine Körperzellen und begann sogleich, tiefer zu atmen. Jeder Zug eine Audienz für meine Lungenbläschen, jedes Gliederrecken eine Aufwartung bei den Gelenken. Dankbar gedachte ich all der Angriffe, die dieser Körper schon abgewehrt hatte, der Kinder, die er geboren, den Sportarten, die er absolviert hatte.

Den Rest des Tages war ich tiefenentspannt. Beim Großeinkauf legte ich auch eine Flasche Wasser in den Einkaufswagen und trank sie noch im Auto aus, weil ich so durstig war (ohne Dossier hätte ich das auf Zuhause verschoben). Daheim ließ ich Einkäufe und Küchen-Chaos links liegen, weil Prinzessin (12) Hilfe brauchte bei ihrem Vortrag über das Atemsystem der Weinbergschnecke.
 "Wir sind das Volk", riefen die Körperzellen, "gönn' uns eine Pause und mach' dir einen Tee." Das war ein Volksentscheid. Dem musste ich folgen. Ich ignorierte das Küchen-Chaos und las einen schönen Text. Wohlig müde lag ich später im Bett, reckte meinen Arm zur Nachttischlampe und zwinkerte dem Winkfleisch zu.

Immer fröhlich Freundschaft schließen mit dem eigenen Körper

Uta

Donnerstag, 7. November 2013

Glückliche Familie Nr. 180: Unser Kinderarzt


Heute bringe ich eine Karte zu unserem Kinderarzt. Eine Dankes-Karte.

Kronprinz (16) und Prinzessin (12) sind seiner Praxis entwachsen, dem Wartezimmer mit dem Holzpferd in der Mitte und den anthroposophisch-bunten Bilderbüchern im Regal, dem Aquarium mit dem  Schiffswrack und der Dose mit dem Delfin, der immer schnattert, wenn man sich einen Traubenzucker nimmt.

Einfach wegbleiben ohne ein Wort, das möchte ich nicht.
Denn dem Mann mit der Halbglatze und dem jungenhaften Grinsen verdanke ich viel.




Kaum verließ man das Wartezimmer mit dem bronchitischen Bellen auf mehreren Schößen, kaum schloss sich hinter einem die Tür zum Sprechzimmer, wurde alles gut.

Doktor B. nahm sich Zeit, machte Mut und strahlte meine röchelnden Kinder an, als wären sie die zauberhaftesten Wesen, die seinem Stethoskop je untergekommen waren. Er impfte, nähte Platzwunden, jagte Kopfläuse und besänftigte eines der irrationalsten Geschöpfe, die es auf dem Planeten gibt: die besorgte Mutter.

Meine Spezies also.

War ich erschöpft von durchwachten Nächten und vom Betupfen der Windpocken, reichten zehn Minuten bei Doktor B., um zu wissen, dass ich alles richtig gemacht hatte. Doktor B. und seine Herman-Van-Veen-Stimme waren unser wichtigstes Placebo.

Einmal beichtete ich, dass ich Kronprinz Waffeln gebacken hätte, weil er "Magen-Darm" hatte und nichts anderes essen wollte. Da strich Doktor B. mir über die Schulter und berichtete, er sei gerade von einem Kongress mit der Erkenntnis zurückgekehrt, dass der Körper in Notsituationen zielsicher Signale aussenden würde, welche Nahrung er in diesem Moment bräuchte. Ich hätte - wissenschaftlich betrachtet - also genau das Richtige getan.

So ist Doktor B.

Ich bin mir sicher, er hatte mir zuliebe die Kongress-Ergebnisse stark verkürzt. Aber jedes Mal zog ich mit neuer Kraft an dem schnatternden Delfin vorbei wieder nach Hause.

Gibt es jemanden, dem ihr sehr dankbar seid? Kinderarzt, Hebamme, Säuglingsschwester?

Ich bringe jetzt mal die Karte zum Briefkasten.

Immer fröhlich "Danke" sagen, wenn es irgendwo so eine Seele gibt

Uta

Freitag, 1. November 2013

Glückliche Familie Nr. 179: Mobbing beenden


Ein Telefonat, das ich gestern mit meiner ältesten Schwester führte, geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Meine Schwester ist Lehrerin an einem Gymnasium, sehr engagiert, kreativ, voller Ideen und auch Manns genug, eine Meute von 30 Kindern souverän durch ein Schuljahr zu führen.

Zu dieser Stunde sitzt sie in einer Konferenz mit dem Schulleiter und mehreren Kollegen, die einberufen wurde, weil ein Schüler einer siebten Klasse ein brisantes Foto ins Internet gestellt hat. Er hat es aufgenommen von einem Mitschüler, als dieser sich gerade im Klassenzimmer übergeben musste. Mittels digitaler Bildbearbeitung fügte der Schüler dem Foto eine braune Sprechblase mit dem Wort "Kacki" hinzu.

Der "Täter" und seine Eltern sind auch zu der Konferenz bestellt. Und meine Schwester berichtete, dass der Schulleiter erwägt, den Jungen eine Woche vom Unterricht auszuschließen. Dem anderen Jungen ginge es schlecht. Dessen Eltern hätten es schwer, ihn zu bewegen, überhaupt noch zur Schule zu gehen.

Meine Schwester klang erschöpft und ratlos. Auch der Schulleiter und die Kollegen wüssten nicht so recht, was zu tun sei.

Ich übrigens auch nicht. "Bin ich der master oder was?" würde Prinzessin (12) in einer solchen Situation sagen.

Und ich habe größten Respekt vor Menschen, die 30 Zwölf- bis Vierzehnjährige so durch eine Schulstunde führen können, dass sie selber keinen Tinnitus, "Burn out" oder "Rad ab" erleiden und die Kinder auch noch was lernen.

Heisst: Ich habe größten Respekt vor Lehrern, auch wenn nicht jeder, der meinen Kindern bisher begegnet ist, "my very best friend" ist, um wieder mit Prinzessin zu sprechen.

Da ich nicht zerschlissen bin vom Schulbetrieb, befinde ich mich in der glücklichen Lage, in aller Muße (heute morgen während der professionellen Zahnreinigung beim Zahnarzt) nachdenken zu können.

auch nachdenklich ... Amy

Was kann eine Schule in solch einem Mobbing-Fall tun?

"Master" hat blitzblanke Zähne und einen Vorschlag:

  • der Klassenlehrer fährt am gleichen Tag mit dem Übeltäter zum "Opfer" nach Hause 
  • dort entschuldigt sich der Schüler in aller Form und in Anwesenheit der Eltern des "Opfers" 
  • und er fragt, in welcher Weise er das Geschehen wieder gutmachen könne
  • Wiedergutmachung vereinbaren
  • danach keine Konferenzen, kein Unterrichtsausschluss oder dergleichen
  • sollte Ähnliches noch einmal vorfallen, wieder sofort so handeln


Die Tat gehört in den Mittelpunkt, nicht der "Täter". 

Es ist ein wichtiger Unterschied, ob wir sagen "Wir dulden so etwas nicht an unserer Schule" oder "wir dulden dich nicht an unserer Schule".

Wir sollten Kinder nicht aufteilen in "Opfer" und "Täter", sie nicht festlegen auf Rollen, die beide zweifelhafte Aufmerksamkeit mit sich bringen.

Es braucht klare Regeln und schnelles Handeln, keine langen Konferenzen, kein Diskutieren, Dramatisieren, Moralisieren.

Die Konsequenz sollte sozialer Stress sein, nämlich der, dem gedemütigten Jungen und seinen Eltern in ihrem vertrauten Umfeld gegenüber stehen zu müssen. (Das bringt auf jeden Fall keine "Out-law"-Anerkennung bei den Kumpels in der Schule wie andere Maßnahmen).

Und solch ein privater Wiedergutmachungs-Besuch zeigt bestimmt mehr Wirkung als eine Woche vom Unterricht ausgeschlossen zu werden und in Ruhe "Playstation" spielen zu können.

So, und jetzt seid ihr dran. Ich brauche einen Praxis-Check. Was meinst du, Schwesterherz? Könnte das ein brauchbares Verfahren sein? Was denken die anderen Lehrer unter euch? Habt ihr noch andere Ideen, die hier weiterhelfen könnten?

Wie schlimm alles ist, möchte ich nicht lesen. Aber für Ideen bin ich immer zu haben.

Immer die Tat sofort mit Sanktionen belegen und dann (hoffentlich) wieder fröhlich Unterricht machen, 

eure Uta