Sonntag, 30. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 153: Der weise Buchsbaum


Meine Schwester Nummer Zwei hat jetzt ihre Kinder groß. Das Jüngste von Dreien hat gerade Abitur gemacht. Herzlichen Glückwunsch Max!

Meine Schwester meinte so im Rückblick, dass man Kinder nicht zu sehr umsorgen dürfe. Egal, wie viel Schulaufgaben sie hätten, sie müssten lernen, ihren Beitrag im Haushalt zu leisten, müssten wissen, wie man aufräumt, die Waschmaschine bedient ... Und sie erzählte von einem Mädchen, das mit Bravour die Schule gemeistert hätte, aber im Studium wegen Lebensuntüchtigkeit zusammengebrochen sei und nun bei "Mäcces" (McDonald) an der Kasse arbeiten würde.

Kaum hatte ich das Telefon aufgelegt, stand ich auch schon neben dem Bett von Prinzessin (12). Dort liegt sie seit Tagen (wir haben Ferien) und liest einen "Top-Secret"-Band nach dem anderen.

"In einer halben Stunde hast du dein Zimmer aufgeräumt!" 

Ich gab den Feldwebel, zack-zack.

Sie gab die Top-Agentin, feuerte tödliche Blicke ab, zack-zack.

Ich schleppte mich in den Garten.

Wenn ich zu mir finden muss, schneide ich gerne die Buchskugel auf unserer Terrasse. Der Buchs steht stoisch im Nieselregen. Ich lege ihm einen Frisierumhang um den Topf und wir sprechen über die Kinder und das Leben.

"Ich kenne Familien, die sich darüber zerfleischen, wer den Müll rausbringt oder die Spülmaschine ausräumt."

Der Buchs schien leicht den Kopf zu schütteln.

"Ich kenne Familien, wo die Kinder nichts und Mutter alles macht. (Typ 'Märtyrer-Mama')."

Unverständnis bei Herrn Buchs.

"Ich kenne Familien, die Preislisten in die Küche hängen: 'Rasenmähen mit Kantenschneiden: 5 Euro, Rasenmähen ohne Kantenschneiden mit Kabelaufrollen: 3 Euro, Autoaussaugen: 3 Euro, Armaturen-Brett feucht abledern: 1 Euro ...'

Diesmal schien Buchs die blättrige Stirn zu runzeln.

"Und bei uns hat das alles auch schon stattgefunden: Streit, Märtyrertum, Belohnungslisten."




"Wissen Sie, alle suchen nach dem richtigen Weg in der Erziehung, alle suchen nach der Methode, die zum Erfolg führt, dabei geht es weniger darum, was wir machen, sondern wie wir es machen."

"Den Pony wie immer?" Ich schnitt und schnitt, kam so tief, dass die kleinen Äste zu dick für die Schere wurden.

"Wissen Sie, neulich hat mir eine andere Bloggerin* in einem Kommentar geschrieben 'Wenn die ganze Atmosphäre daheim entspannt und geladen mit Liebe ist, kann man alles sagen oder gar nichts. Kommt gar nicht so sehr darauf an. It's all about energy.'"

Ich fegte Buchs den Nacken aus. "All about energy", summte ich und schnitt noch ein paar vorwitzige Blättchen weg.

Buchs war wie immer meiner Meinung und ich hüpfte mit "new energy" die Treppe zu Prinzessins Zimmer hoch.

"Pass auf, neue Ansage!" rief ich. "Du brauchst heute nichts zu machen. Aber bis nächste Woche, wenn wir in Urlaub fahren, habt ihr beide, du und dein Bruder eure Zimmer tip top aufgeräumt." Prinzessin war einverstanden. "Und jetzt sage ich es noch dem Kronprinzen."

Später haben wir im Wohnzimmer getanzt, zusammen Erdbeeren geputzt und Hähnchenbruststreifen gebraten.

Immer fröhlich auf die richtige "energy" achten

Uta

* Joanna von Liebesbotschaft. Danke!

Dienstag, 25. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 152: Galoppierende Weiterentwicklung


Kennt ihr das, dass man etwas besonders gut machen möchte, und sich anstrengt, endlich oben auf dem Pferd zu sitzen, und dann auf der anderen Seite wieder vom Pferd herunter fällt.

Nein, ich bin keine Reiterin. Das ist nur ein Bild. Ein Bild dafür, dass man bei dem Bemühen, eine Situation zu verändern, ins andere Extrem fallen und auch wieder im Sand liegen kann.

Ich wollte Prinzessin (12) strengere Vorschriften auferlegen. Das hat mit dem Seminar zu tun, das mein Mann und ich neulich besucht haben. Dort wurden wir gefragt, ob wir es aushalten würden, uns bei unseren Kindern unbeliebt zu machen, wenn wir klare Grenzen ziehen. (Das Thema "Grenzen" hat es wirklich in sich, findet ihr nicht?)

Kaum wieder zu Hause, straffte ich also die Schultern und bat Prinzessin (12), mir die Kleider zu zeigen, die sie für das Klassenfest an der Elbe in ihre Tasche gestopft hatte. Ich fühlte mich wie das Sicherheitspersonal am Flughafen, bereit mit einem Piepser an ihrem Körper entlang zu fahren und Bikini-Oberteile aufzuspüren, die zu sexy sind.

Können wir nicht in unsere Haustür einen Piepser einbauen, der jedes Mal Alarm schlägt, wenn jemand zu scharf gekleidet über die Schwelle tritt? Und wenn die Zeugen Jehovas mit ihren Blättchen kommen und es piepst, wissen wir, dass wir die Anlage zu scharf eingestellt haben.

Prinzessin bereitete den Inhalt ihrer Tasche auf dem Fußboden aus. T-Shirt, kurze Hose, Bikini, Flipflops, Handtuch ... Und ich fragte mich, wonach ich eigentlich gesucht hatte. Schließlich ging sie zum Strandfest und nicht zum Schulgottesdienst.

Eins aber hatte ich erreicht: ich konnte ausprobieren, ob ich es aushalte, mich unbeliebt zu machen. Prinzessin ist nämlich seither stinksauer auf mich.

"Euer Seminar da, das war doch ein Beziehungstraining, oder?", kläffte sie. "Eins kann ich schon mal mit Sicherheit sagen: die Beziehung zu den Kindern verschlechtert sich deutlich."

Zum Glück hat das Seminar mich auch gelehrt, jedes Problem im Leben freudig zu begrüßen, weil es eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung bereit hält.

Also hier meine Weiterentwicklung:
  • Grenze, ja, Misstrauen und Stasi-ähnliche Kontrollen, nein!
  • Ich höre auf, mir selber die Geschichte zu erzählen, ich sei kindheitsbedingt prüde und nicht in der Lage, das Thema Sexualität vernünftig zu vermitteln.
  • Schluss mit dem Herum-Eiern und mit der ständigen Frage: 'Mache ich in der Erziehung etwas falsch?' Hinter Prinzessin steht eine Königin, nicht ohne Fehler, aber stark und klar. 

Hatte kein Bild von Pferd und Königin, aber hier sieht es doch aus, als käme sie jeden Moment um die Ecke galoppiert, oder? - Foto von der Internationalen Gartenschau (igs) in Hamburg.

Immer fröhlich stark und klar sein

Uta

Mittwoch, 19. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 151: Wo der Hammer hängt


Als ich am Wochenende ohne Kinder mit Soßenkönig auf der Autobahn unterwegs war (super Gelegenheit, mal in Ruhe zu reden), meinte er, ich müsste in meinem Blog darüber schreiben, was wir Frauen von den Männern in der Kindererziehung wollten.

Sollen sie den Windeleimer raustragen und sonst die Klappe halten?

Sollen sie auf den Tisch hauen, wenn Mama mal wieder zu weich ist?

Sollen sie Jesper Juul in etwas jünger und knackiger sein und tiefenentspannt zwischen den Bauklötzen sitzen?

"Was wollt ihr Frauen von uns als Vater?", fragte er und stand auf dem Gaspedal, als könnte er seiner Frage damit noch mehr Nachdruck verleihen.

Das hat mich erinnert an eine Szene aus dem Film "P.S. Ich liebe dich".
Daniel, der Holly seit einigen Monaten anschmachtet, sitzt mit ihr in einer Kneipe und sagt: "Kannst du mir verraten, was ihr Frauen eigentlich wollt?"
Sie beugt sich zu ihm vor und flüstert: "Ich verrate dir ein Geheimnis." Sie rücken noch näher zusammen. "Wir wissen es selber nicht."

Die Landschaft flog an mir vorbei und ich dachte, dass ich im Umgang mit den Kindern Unterstützung möchte, aber am liebsten alles selber bestimme (Hallo, ich bin Eltern-Coach, wer soll es besser wissen als ich? :-).
Der Soßenkönig soll tun, was ich möchte, und was ich möchte, soll er erkennen, bevor ich was sage, mich als beleidigte Leberwurst im Schlafzimmer verziehe oder effektvoll in Tränen ausbreche. Er soll irgendwie weich sein und irgendwie stark. Aber nicht zu stark, dann finde ich ihn dominant. Aber auch nicht zu weich, dann wäre er ja wie eine Frau und dann bräuchte ich keinen oder einen anderen Mann.

Ich habe das mal so ins Unreine gedacht und nicht ausgesprochen. Das war auch besser so, sonst wären wir noch aus der Kurve geflogen.

Bei unserer Wochenende-Reise hatte ich schließlich doch eine Erkenntnis, die den Soßenkönig weiterbringen kann.

Meine Schwester kümmerte sich zu Hause um Prinzessin (12) und Kronprinz (15). Allerdings nur von Freitagnachmittag bis Samstagabend. Den ganzen Sonntag und die Nacht davor wollten die beiden ganz alleine sein.

Kaum waren Soßenkönig und ich im Hotel angekommen, rief Prinzessin auf dem Handy an. Sie würde gerne von Samstag auf Sonntag bei ihrer Freundin Pia übernachten. Deren Eltern seien zwar nicht da, aber der Opa würde auf sie aufpassen.

Soßenkönig und ich sprachen darüber und waren uns einig: Opa unbekannt, Situation nicht einzuschätzen, Prinzessinnen-Schutzprogramm muss aktiviert werden.

Und dann merkte ich, was ich vom Soßenkönig möchte.

  1. Ich möchte mich mit ihm über grundlegende Fragen in der Erziehung auf gleicher Ebene austauschen können (weg mit der Besserwisserei als Elterntrainerin). 
  2. Ich will, dass er mir hilft, unsere gemeinsamen Entscheidungen mit "Potenzkommunikation"* durchzusetzen.
Wir Frauen können zwar auch Potenzkommunikation*, fühlen uns aber unwohl damit. Sie kostet uns viel Energie. Während Männer gerne sagen, wo der Hammer hängt.

Warum diese Kraft nicht nutzen?

Guckt euch diese Pranke an! Das ist Potenzkommunikation ohne Worte. 

Also bat ich den Soßenkönig, Prinzessin zurück zu rufen. 

"Prinzessin? Hallo? Hier ist Papa. Du kannst an einem anderen Wochenende bei Pia übernachten, wenn ihre Eltern wieder da sind. Mama und ich wollen nicht, dass ein Opa auf dich aufpasst, den wir nicht kennen. Du bleibst heute zu Hause. Ende-Gelände."

Dann wollte sie mich noch sprechen und mit Tränen weichspülen. Aber Uta blieb hart und sagte feierlich. "Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat."

Früher war es üblich, dass Mütter sagten: "Warte, bis abends der Papa kommt." Das ist natürlich furchtbar, weil Mutter dann dastand, als hätte sie keine eigene Meinung zu dem Konfliktthema, und weil Vater als Drohmittel eingesetzt wurde. 

Nicht machen! 

Aber gemeinsam mit dem Vater unserer Kinder eine Linie bei grundlegenden Themen (nicht, ob es das Eis jetzt gibt oder nicht) finden und ihn dazu ermuntern, mit seiner Potenz uns den Rücken zu stärken, funktioniert richtig gut. 

Immer fröhlich die "Potenzkommunikation" der Männer für uns alle einsetzen

Uta


PS: "Potenzkommunikation" ist ein Begriff von Stephan und Maria Craemer

Mittwoch, 12. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 150: Vom Meister und vom dicken Zeh


Wir machen uns schon seit Jahren Gedanken, weil Prinzessin (12) so wenig liest.
Seit Dienstag, 4. Juni 14:45 Uhr Ortszeit, sieht es in ihrem Bett so aus.




Sie verschlingt einen "Top-Secret"-Band von Robert Muchamore nach dem anderen. Nicht dass ihr jetzt die Bücher kauft und sie wie Köder bei euch auslegt. Das hatten wir längst gemacht. Seit Jahren stehen die Bände drei Meter Luftlinie von Prinzessin im Zimmer ihres Bruders zum Lesen bereit. Aber sie hatte sie nicht angerührt. Es brauchte die Empfehlung ihrer Freundin, um diesen Lektüre-Schub auszulösen.

Vor etwa einem Jahr machten wir uns Gedanken, weil Kronprinz (15) wenig Sport trieb, aber umso mehr Chips aß. Der Soßenkönig brachte schon mal ein Laufmagazin nach Hause und legte es dezent ins Wohnzimmer. Aber wir haben nichts dazu gesagt. Höchstens der Soßenkönig. Der ließ hin und wieder mal eine Bemerkung zum Fettgehalt von Kartoffel-Chips fallen. Aber das liegt nur daran, dass er kein "Vertrauenskärtchen" in der Gesäßtasche mit sich herumträgt wie seine pädagogisch wertvolle Gattin.

Zugegeben, wenn wir Eltern vom Joggen zurück kehrten, konnte es sein, dass wir erwähnten, wie wunderbar wir uns nach dem Laufen fühlten, welche Krebsrisiken wir gesenkt und wie viel Fett wir gerade verbrannt hätten.

Aber damit haben wir auch aufgehört. Denn Prinzessin hat gesagt, dass meine Brauen hoch gehen, die Augäpfel hervortreten und ich furchtbare Falten bekomme, wenn ich so manipulativ-missionarische Bemerkungen mache.

Kronprinz hat gar nicht zugehört, was diese "Wir-leben-ja-so-gesund-Eltern" von sich gaben und verschwand in der Regel mit Chips und Softdrinks nach oben vor den Computer.

Die Monate gingen ins Land. Und bei mir hat das etwas nach gelassen mit dem Laufen, aber seit drei Wochen läuft ... Kronprinz: Viermal die Woche, mindestens zehn Kilometer, inklusive Klimmzüge auf nahegelegenem Sportplatz.

"Was ist passiert?", fragte der Soßenkönig. Schulterzucken bei mir. "Ich habe nicht die geringste Ahnung."





Was sind wir Eltern kleinmütig.

Jeden Tag sind wir zusammen mit Menschen voller Möglichkeiten und wir sehen nur, was noch fehlt.

Wir sollten ihnen Kraft und Zutrauen geben für ihre Vision von Leben und geben uns zufrieden mit Visiönchen für das nächste Schuljahr.

Unser Zusammensein ist oft von Ängstlichkeiten geprägt. "Hast du den Mathezettel dabei? Muss ich die Deutscharbeit noch unterschreiben? Vergiss dein Sportzeug nicht!"

Wir stecken sie an mit unseren Sorgen, statt ihre Begeisterung für was auch immer zu teilen.

In seinem kleinen Buch "Beziehungen" schreibt Neale Donald Walsch an einer Stelle von Menschen, die es im Leben zu Meisterschaft gebracht haben.
Solch eine Person, "sieht Sie an, sie schaut in Ihre Augen und sieht Sie so, wie Sie selbst sich nicht einmal in Ihrer Phantasie sehen. ...Wenn wir eine Beziehung auf diese wunderbare Weise angehen, transformieren wir unsere ganze Erfahrung von uns selbst und unsere Erfahrung mit den von uns geliebten Personen."  
(Neale Donald Walsch: Beziehungen. Wegweisungen für den Alltag. München 2000, S. 35)

Für den Alltagsbezug muss ich an dieser Stelle auf meinen dicken Zeh links zu sprechen kommen.
Er macht mir seit Jahren Probleme, weil sein Nagel immer wieder schmerzhaft einwächst. Deshalb musste ich Fußpflege in Anspruch nehmen.

Unter Fußpflegerinnen wie auch unter Hebammen (auf Französisch heißt Hebamme "sage-femme" = weise Frau) finden sich Meisterinnen der Lebenskunst. Frau A. in Stuttgart war so jemand und meine aktuelle Frau G. ist - was Weisheit angeht - ein ähnliches Kaliber.

Ich kann jetzt gar keine Sprüche von ihr zitieren, kenne auch die Zusammensetzung ihrer Fußsalbe nicht. Aber wenn Frau G. da ist, habe ich nicht nur das Gefühl "Ich bin in Ordnung, so wie ich bin." Nein, viel mehr. Frau G. scheint mehr in mir zu sehen, als ich selbst. Ein unglaublich berauschendes Gefühl.

Können wir nicht selber so sein zu unseren Mitmenschen? Können wir nicht solche Meister sein für unsere Kinder? Können wir nicht die sein, die mehr in ihnen sehen als sie selbst? Was hindert uns bloß?

Immer schön fröhlich ein Meister sein

Uta

Freitag, 7. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 149: Kommentierte Kommentare


Heute ist Zeit, einmal "Danke" zu sagen für eure Kommentare. Ich freue mich riesig darüber, wie intensiv ihr euch mit meinen Posts befasst und euch eigene Gedanken dazu macht. Das ist eine große Bereicherung für mein Blog und für mich.

  • Danke für die Anerkennung!
  • Danke für die Zeit, die ihr euch nehmt für eure Kommentare!
  • Danke für die Unterstützung und das Wohlwollen!

Heute werde ich auf jeden Kommentar eingehen, den ich zu meinem jüngsten Post "Geträufeltes Gift" bekommen habe.


Lesende Frauen sind gefährlich schrieb, dass sich viele Eltern über die Leistung ihrer Kinder definieren oder - noch schlimmer - ständig über Jugendliche schimpfen und sie als unfähig und dumm darstellen. Letzere fände sie noch schlimmer.
Da kann ich nur zustimmen. Sicher ist Pubertät auch eine anstrengende Zeit, aber von den Jugendlichen zu sprechen als seien sie nur noch hormongesteuert und unzurechnungsfähig, ist respekt- und lieblos. Mir fällt besonders bei Elternabenden in der Schule auf, wie gerne Eltern sich über ihre Kinder erheben und über ihre (naturgegebene) Entwicklung jammern - und schlimmer noch - spotten. Schade. Wie würden wir uns fühlen, wenn sie mal in gleicher Weise in ihrer Clique über unsere Hormonsituation in den Wechseljahren spötteln würden. Die Vorstellung fühlt sich grausig an, finde ich.
Danke auch für den Hinweis deiner Tochter auf die in unserer Gesellschaft erwartete Perfektion. Wo habe ich neulich gelesen, man könne sich gratulieren, jeden Tag einen Fehler gemacht zu haben, denn dann wisse man, man sei Mensch?

*

Was für ein schönes Sprachbild: Melanie Garanin gewährt ihrem Kleinsten "Welpenschutz". Wie lange dauert so ein Welpenschutz?
Sie gibt zu, dass es ihr bei den digitalen Medien schwer fällt, locker zu bleiben. Willkommen im Club! Bei mir ist es das iPad, das sich so leicht schmuggeln und im Bett verstecken lässt, das mich regelmäßig an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. So klein, so flach und doch das ganze www im Angebot. Gestern habe ich im Seitenverlauf was entdeckt, was nicht jugendfrei war und dem Ding ein Zahlencode verpasst, um wieder mehr Kontrolle zu haben.
Aber manchmal bin ich auch doppelzüngig (Hallo? wer bloggt denn hier?). Schließlich genieße ich in vollen Zügen auch alle Vorteile, die uns diese Medien bringen. Und meine Kinder sind es, die mir technisch helfen, wenn ich mal wieder nicht weiter komme.
Danke, Melanie, dass du uns in dein Auto blicken lässt, wenn du bei der Musik deiner Kinder mit ins Wippen kommst. Zu schön!

*

Dorthe hat Bedenken, dass ihr Kind in ihren (also Dorthes) "ich-bin-nicht-gut-genug"-Sumpf mit hineingezogen wird. Guter Grund damit aufzuhören, oder? Machen wir zusammen, okay? Jetzt! Sofort!
Ich kann dich aber trösten: die Kinder haben da ihren eigenen Kopf. So leicht, wie es uns die Psychologie weismachen möchte, lassen sich Kinder nicht traumatisieren. Bei Prinzessin ist es inzwischen so, dass sie ganz sauer reagiert, wenn sie miterlebt, dass ich mich in einer Situation nicht durchsetze oder unter Wert verkaufe. Danke Prinzessin!
Also von mir hat sie das nicht :-)

*

Dass es auch aus Fürsorge und einem Gefühl der Verantwortung geschieht, wenn wir unsere Kinder darauf hinweisen, dass es schädlich ist, wenn sie zu viel Zucker essen, schreibt Silke. Und liefert für mich gleich die Antwort hinterher, worin der Unterschied zu allgemeinem Gemecker liegt: Silke schreibt, sie versuche 'Ich'-Botschaften zu formulieren, weil es ja meistens keine Gesetze seien, die sie da verkünde. Das ist für mich genau der Punkt. Ich kann in einen Mecker-Modus gehen ("Immer dieser Süßkram. Kannst du auch mal was Vernünftiges essen ...") oder ich kann mal in einer ruhigen Minute das Gespräch suchen: "Ich mache mir in letzter Zeit Sorgen über deine Ernährung ...." Dann geht es nicht um "die Zahnärztin" oder das, was "man" sagt, sondern um mich und meine Sorge. Auch wenn die Reaktion beim Kind nicht so toll ausfallen mag, sind solche Gespräche immer Einzahlungen aufs Beziehungskonto. Allerdings nur, wenn das mit den 'Ich-Botschaften' keine Kommunikations-Technik ist, sondern von Herzen kommt.
Danke für das Beispiel mit der Jacke und der dritten Erkältung und der Einsicht, dass man auch mal sagen muss: "Du, mein Freund, ziehst jetzt diese Jacke an, weil ich keine Lust habe, nachts aufzustehen, weil du wieder Fieber und eine verstopfte Nase hast."

*

Liebe Esther, wenn ich helfen kann, in manchen Situationen locker zu bleiben, freut mich das ungemein. Mir hilft das Schreiben, immer wieder auf meine Spur zu kommen und gelassener zu sein.



Guckt mal, ich habe echte Blumen aus dem Garten gescannt. 


m. fragt, wie man es schaffen kann, die innere Diskussion zu Ende laufen zu lassen, bevor man in Dialog tritt mit seinen Kindern.
Das ist eine berechtigte Frage. Ich habe es auch leichter, weil meine Kinder mit 15 und 12 Jahren schon recht groß sind. Mit kleinen Kinder ist es doch viel anstrengender und turbulenter, zumal wenn man vielleicht drei und mehr davon hat. Wie manche das hinkriegen, dem einen Kind bei den Hausaufgaben zu helfen, während das Kleine Richtung Keller-Treppe krabbelt und die Nudeln überkochen, ist mir ein Rätsel. Auf jeden Fall ist das Schwerstarbeit.
Ich weiß noch, wie es mich angestrengt hat, als die Kinder in dem Alter waren, als sie ständig Fragen stellten. Dann wird man so zu getextet, dass man kaum seinen eigenen Gedanken nachhängen kann. In der Phase brauchte ich regelmäßig Zeit für mich ganz allein, um wieder in meine Mitte zu kommen, und wenn es nur eine Viertel-Stunde war.
Der Satz von Steven R. Covey "Es gibt einen Raum zwischen Reiz und Reaktion" ist mir ungeheuer wichtig geworden, auch wenn ich ihn in der Kleinkind-Phase kaum umsetzen konnte.

*

Hallo Jenny (Lebemaja), treffe ich dich wieder bei deiner "heiligen Tasse Kaffee"?
Ja, es ist unmöglich, seine Kinder ganz ohne negative Gefühle über sich selber aufwachsen zu lassen. Ich glaube, solche Gefühle müssen auftauchen, damit man lernt, damit umzugehen.
Du hast geschrieben, dass du ausgeflippt bist, als dreimal innerhalb einer Woche beim Abendbrot ein Glas kaputt gegangen ist. Da würde jeder von uns austicken, oder? Du wirst sicher nicht gesagt haben: "Du bist das ungeschickteste Kind, das ich kenne. Wie kann man so blöd sein, dass man nicht einmal ein Glas festhalten kann?" Das hast du sicher nicht gesagt. Aber zu schreien: "Sch .... Ich habe keine Lust mehr, jeden Abend eine Scherben-Saft-Pampe aufzuwischen. (Drei weitere Schimpfworte.) Das ist ein Tisch und keine Schießbude" würde dir und allen anderen wahrscheinlich sehr wohltun. Dafür müsste man sich auch nicht entschuldigen.
Aber das kenne ich von mir auch, diese Tage, an denen "Danke" und "Entschuldigung" inflationär aus meinem Mund kommen. Es fehlt dann nicht viel und ich entschuldige mich dafür, dass ich auf der Welt bin.

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Mia hat sich vorgenommen, ihre Söhne mit Selbstvertrauen "vollzupumpen", damit sie die Schule gut überstehen, sobald die Einschulung naht.
Ja, aber wie macht man das?
Uta fällt dazu ein: Viel Körperkontakt, Kuscheln, Vorlesen, Kissenschlacht, anregendes Umfeld, Begabungen fördern, freies Spiel, Malen, Basteln, Backen, Langeweile, bei kleinen Kindern klare Führung, aber mit Respekt vor körperlichen Bedürfnissen wie Hunger, kein Hunger, Müdigkeit, keine Müdigkeit ... Wenn man nur einen Teil davon schafft, ist das viel und trotzdem keine Garantie für Selbstvertrauen. Aber sich als Ziel zu setzen "mit Selbstvertrauen vollpumpen", warum nicht?
Wenn ich ein Spaßbad finde, in dem man Kinder in Drachenblut tauchen kann, kommt der Link sofort auf mein Blog, versprochen.

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Aus dem Kommentar von Landei möchte ich drei Aspekte herausgreifen, die mir wichtig sind:
  1. Klar müssen wir unseren Kindern sagen, was wir nicht in Ordnung finden. Die Frage ist nur: wie?
  2. Kritik sollte so formuliert werden, dass sie wirklich das Verhalten trifft und nicht das Kind: "Was du da tust, finde ich total blöd." nicht "Du bist blöd".
  3. Wir können (und wollen, Anmerk. Uta) nicht 24 Stunden am Tag pädagogisch wertvoll sein.
Vielen Dank für die ausführlichen Beispiele.

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Als Kind wurde Lolobionda der Süßigkeiten- und Fernsehkonsum von ihren Eltern strikt reglementiert. Das findet sie "lebensfremd", weil wir Erwachsene ja auch nicht so leben würden. Sie selbst bemühe sich um Kontakt auf "Augenhöhe" mit ihren Söhnen, müsse aber manchmal feststellen: Das ist vielleicht pädagogisch wertvoll, aber das bin nicht ich. Lolos Mühen, ihre Kinder zu stärken, würden - so schreibt sie - manchmal zerstört von einem Freund ihres Sohnes, der so eine Art Bandenchef ist und ihrem Sohn gesagt habe, er könne nicht malen. Seither malt der Sohn nicht mehr. 
Das ist natürlich sehr schade, aber ich habe gerade erst in dem Buch "Männergehirn" von Louann Brizendine gelesen, wie sehr sich Jungs von klein auf in Rangordnungen sortieren. Da interessiert es sie nicht die Bohne, ob wir Mütter sie für kleine Künstler halten oder nicht. Auf jeden Fall würde es sie überfordern, wenn wir sie unter Druck setzen, sich dieser Rangordnung zu widersetzen. 
Danke für den Aspekt: Einfluss aus dem Freundeskreis!

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Danke, liebe Isa! Prinzessin würde schreiben: VBFFE oder HDGDL.

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Hallo Evelyn, herzlich willkommen auf meinem Blog. Natürlich darfst du mich verlinken. Ich freue mich darüber.  

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Von ihren "Herzbuben" (2 und 4) schreibt Frieda und davon, dass sie in schwierigen Momenten ihren inneren Dialog nicht immer zu Ende führe könne. In diesem Kommentar geht es auch darum, dass es das eine Kind einem leicht mache, es zu verstehen (das ist vielleicht der "Welpenschutz", von dem Melanie spricht, weil es hier der Kleinere ist) und der Umgang mit dem anderen Kind deutlich schwieriger sei. Frieda hat auch häufig das Gefühl, ihren älteren Sohn nicht zu verstehen. 
Ähnlich ging es mir mit dem kleinen Kronprinzen und ich führte es darauf zurück, dass ich ohne Bruder (dafür mit drei älteren Schwestern) aufgewachsen bin. Mir hat damals sehr geholfen, das Buch "Jungen! Wie sie glücklich heranwachsen" von Steve Biddulph zu lesen.
Danke, Frieda, für das Vertrauen und die große Anerkennung!


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Das Landei schickt meldet sich nochmals und schickt "pädagogisch wertfreie Grüße". In diesem Kommentar geht es darum, wie unheimlich perfekte Eltern für ein Kind sein müssen. Zitat Landei: "DANN hätte ich als Kind in der Tat das Gefühl, nicht o.k. zu sein, denn irgendetwas muss ja wohl dann mit mir nicht stimmen, wenn ich diese Robotereltern nie aus der Reserve locken kann."
Die einzigen Bücher, die der Schreiberin je bei diesem Thema geholfen haben, sind gleich drei Bücher einer Autorin, in denen es darum geht, "warum Pflegekinder oft so schräg drauf sind".
Liebes Landei, magst du uns die Titeln nennen? Das könnte für manche doch interessant sein.

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Birgit Geistbeck schreibt, dass ihr "erster Juul" ("Nein aus Liebe") ihr in puncto Grenzen die Augen geöffnet hätte. "Ich setze meinem Kind keine Grenzen, sondern zeige dem Kind MEINE Grenzen."
Ich finde, das bringt es zum Abschluss wunderbar auf den Punkt. Vielen Dank!


Ich hoffe, ich habe euch nicht erschlagen mit dieser Art des Posts und ihr könnt immer schön fröhlich bleiben

Uta 


Montag, 3. Juni 2013

Glückliche Familie 148: Geträufeltes Gift


Wenn ich etwas mit diesem Blog erreichen möchte, dann

  • dass eure und meine Kinder mit dem Gefühl aufwachsen, sie sind richtig, so wie sie sind
  • dass wir zusammen, ihr, meine lieben Leser, und ich, jeden Tag in dem Wissen leben, dass an unserer Person nichts hinzugefügt oder verändert werden muss, um bis in jede Pore liebenswert zu sein
  • dass wir erkennen, wo wir selber dieses "Du-bist-nicht-gut-genug"-Gift in unsere Kinder träufeln, weitergegeben von Generation zu Generation

Mal wieder Jesper Juul zu dem Thema:
"Das Fundament des Selbstgefühls lässt sich vielleicht am besten beschreiben, wenn man an das Erlebnis frisch gebackener Eltern denkt, die zum ersten Mal ihr schlafendes Baby betrachten. Sie sind durchdrungen von dem Gefühl, dass dieser neue Mensch, allein durch seine Existenz, etwas Wunderbares und Wertvolles ist. Die meisten Eltern bewahren sich dieses Gefühl einige Wochen lang, bevor sie sich bemüßigt fühlen, in dieses Werk der Schöpfung 'korrigierend' einzugreifen." (Jesper Juul: Dein kompetentes Kind. Hamburg 2010, S. 98)

Ja, sollen wir denn gar nicht eingreifen?

Kinder - so heißt es doch immer - brauchen Grenzen. Stimmt das denn nicht?

Ich behaupte: Menschen brauchen Regeln, weil ihre unterschiedlichen Bedürfnisse im Zusammenleben in Konflikt geraten. Das Ganze funktioniert besser, wenn große wie kleine Menschen lernen, sich an Regeln zu halten.
Dass aber Kinder im Besonderen Grenzen brauchen, ist eine Theorie aus dem Giftschrank.

Prinzessin (12) kam am Freitagabend vom Hip-Hop zurück, holte ein knappes Kilo Süßigkeiten aus dem Schrank (vom Taschengeld selbst gekauft), knallte sich damit auf das Sofa, um eine Aufzeichnung von "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" zu sehen. Als sie die Beine übereinander schlug, sah ich, dass sie Waden und Oberschenkel mit Sprüchen beschriftet hatte.

In meinem Inneren führte ich folgende Diskussion mit mir selber:
"Wie furchtbar, das ist ja das komplette Trash-Programm: geistloses Fernsehen, Süßkram und Kugelschreiber-Hautverunreinigung. Kann sie sich nicht mit Oma und Opa unterhalten, die gerade zu Besuch sind?"-
"Komm, Uta, reiße dich zusammen. Sie ist gerade erst nach Hause gekommen. Willst du zur Begrüßung gleich an ihr herummeckern?" -
 "Ja, aber ich muss dem Kind doch Werte vermitteln, erklären, dass Kugelschreiber-Tatoos nicht gut sind für die Haut, dass man den Großeltern Respekt zollt, dass GZSZ was für Gehirnamputierte ist, dass ... -
"Uta, entspanne dich. Sie weiß diese Dinge selber, möchte sich jetzt aber ein wenig ausruhen. Das ist nicht der Untergang des Abendlandes. Nur weil sie Trash futtert oder guckt, wird sie nicht selber zum Trash."

Schließlich handelte ich mit ihr aus, dass sie nach 20 Minuten den Fernseher ausschaltete, weil ich es nicht mag, bei der Arbeit in der Küche die Zickendialoge aus dem Fernseher anhören zu müssen. Außerdem bat ich sie, keine weiteren Süßigkeiten zu essen, weil es mich ärgert, wenn ich mir Mühe gebe, ein gesundes Abendbrot zu machen, und sie schon satt ist von der Tüte Weingummi.

Hier haben wir also wieder unsere Frau Mustermann, die für ihre eigenen Grenzen eintritt, statt das Kind abzuwerten und ihm irgendwelche künstlichen Grenzen zu setzen (weil Fernsehen schädlich ist, Zucker die Zähne angreift ...)

Das Kind zeigte sich kooperativ (vielleicht wegen dem fetten "PEACE" auf dem Oberschenkel).

Oma und Opa zeigten sich auch kooperativ (sogar ohne Tatoos auf den Oberschenkeln) und spielten Rommé mit dem Kind.

Und mir ist klar geworden, was die wichtigste Forschungsfrage dieses Blogs ist:

Wie kommen so viele kleine Menschen, die am Anfang ihres Lebens keine Frage dazu hatten, ob sie ausreichend sind, im Laufe ihres Großwerdens dazu, immer mehr zu denken: 
"Ich bin nicht gut genug" und wie können wir Eltern vermeiden, dass dieser Gedanke sich in ihrem Kopf festsetzt?


Immer schön fröhlich dich selbst und dein Kind "gut genug" finden

Uta