Sonntag, 28. April 2013

Glückliche Familie Nr. 141: Lernen mit Toni


Ich stehe für eine Pädagogik des Vertrauens.
Menschen mit dem Motto "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" sind mir höchst suspekt.

Aber auch mein Vertrauen ist Erschütterungen ausgesetzt. Zumindest sometimes.

Prinzessin (12) lernte zusammen mit unserer Nachbarin Toni (16) Englisch. Ich hatte in der Küche zu tun und bekam ein paar Fetzen mit. "Was heißt denn 'sometimes'?" - "Weisinich." - "Manchmal". "Und was heißt 'still'?" - "Äh, keine Ahnung."

Unter Schock vergaß ich, den Druck auf die Spüli-Flasche zu lockern. Berge aus Schaum und Selbstzweifeln wuchsen aus dem Spülbecken. Sechste Klasse und kein Grundwortschatz?

Ist mein Weg ein Holzweg? Ist mein Vertrauen vielleicht Blindheit? Ist meine sonnige Gelassenheit eine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit meiner Kinder?

Auf dem Wohnzimmertisch lag "Der Spiegel". Vom Titelbild schaute mich ein bekümmertes Mädchen an. "Ich kann nicht mehr" stand in weißen Buchstaben auf ihrem Pulli und in einem Kasten daneben "Generation Stress. Wenn Schule krank macht".

Ich warf das Heft zurück auf den Tisch. Zumindest dieses Problem haben wir nicht.


Lernen mit Toni - da kann es passieren, dass auch noch die Nägel neu lackiert werden.

"Komm, Toni, eine Runde Abtanzen." Prinzessin alberte herum, stupfte die neonpinke Spitze ihres Zeigefingers in Tonis Seite.

Aber Toni zog ihren Pulli glatt, blieb hart, ließ Prinzessin 'sometimes' und 'up to now' und 'ago' auf Zettel schreiben und hängte sie in Prinzessins Zimmer an den Kleiderschrank. "Das sind die Signal-Wörter für 'simple past'. Hast du das verstanden?" - "Alles klar, gecheckt", Prinzessin flog durch ihr Zimmer und landete mit einer Arschbombe in ihrem Sitzsack. Toni seufzte und grinste.

Überhaupt Toni. Sie wohnt im Haus nebenan. Und wenn es nach Prinzessin ginge, brächen wir die Kellerwand durch für ein gemeinsames Schwimmbad, das Wohnzimmer für eine Disco, das Bad für ein Beauty-Studio mit Toni.

Als ich neulich jammerte, dass ich keine Lust hätte, ständig der Antreiber beim Lernen zu sein, meinte der Soßenkönig: "Können wir nicht Toni fragen, ob sie Prinzessin unterstützt? Sie spart doch für ein iPhone. Dann kann sie sich ein bisschen Geld verdienen und alle sind glücklich."

Ja, glücklich.

Gelernt wird auf der Bank in der Sonne vor dem Haus oder bäuchlings auf dem Teppich im Zimmer. Und wenn der Kopf schwirrt von Present Perfect, Past Progressive und Simple Past, hängen beide an der Turnstange ab.

"Das war der perfekte Tag", sagte Prinzessin neulich, nachdem sie den halben Nachmittag mit Toni verbracht hatte. "Obwohl ihr lernen musstet?" fragte ich ungläubig. "Ja, mit Toni passt es einfach. Sie ist streng, aber man hat trotzdem seinen Spaß."

So beschwingt, tippte sie noch eine halbe Stunde Französisch-Vokabeln in ein Computer-Lernprogramm (auch zu empfehlen), übte Spagat und schaufelte noch schnell die Klumpen aus dem Katzenklo.

Hätte ich mit ihr gelernt, hätten wir uns spätestens nach einer halben Stunde in die Haare bekommen.

Deshalb mein Eltern-Entspannungs-Tipp für heute:

Wenn ihr einen Schüler in eurer Nachbarschaft habt, der drei oder vier Jahre älter ist als euer Kind und sich etwas Geld dazu verdienen möchte, engagiert ihn oder sie als Lerncoach. So lernt es sich effektiver und bringt sogar Spaß.

"In Deutschland", sagt der Neurobiologe Martin Korte, " wird Schule vor allem mit Arbeit und Entbehrung gleichgesetzt."

Und wie sagen die Amerikaner?


The brain runs on fun.

Also mein Weg bleibt der des Vertrauens und der Freude. Yesterday, up to now, for ever.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta 

Dienstag, 23. April 2013

Glückliche Familie Nr. 140: Die Familie mit dem Flugplan


Ich musste meine Lieben ein bisschen stupsen, aber dann haben alle ihre acht wichtigsten Punkte auf meiner Liste angekreuzt. (Wobei jeder eine Kopie für sich hatte, damit er/sie nicht sehen konnte, was die anderen angekreuzt hatten.)

Die ersten drei Punkte haben alle genannt, deshalb die 4 dahinter. Jeweils drei Nennungen hatten die unteren Punkte. 

Das alles zusammen ergibt unsere "corporate identity" als Familie und hängt jetzt auf der Tafel im Flur. 






Interessant waren die individuellen Unterschiede. 

Prinzessin (12) war noch wichtig, "dass wir uns ausreden lassen":

Kronprinz (15) legt Wert darauf, "dass wir nicht über die Schwächen anderer lachen".

Den Punkt "Körperpflege" wollte der Soßenkönig noch aufgenommen wissen. 

Und für mich bedeutet es viel, "dass das Haus schön und ordentlich ist". 


Mancher mag das Schreiben einer familiären "corperate identitiy" als pädagogischen Kram belächeln. Aber mal ehrlich: Jeder, der ein Unternehmen gründet, macht einen Business-Plan. Ziele, Investitionen, Nutzwert für den Kunden ...

Aber die meisten, die eine Familie gründen, die wurschteln sich so durch. Mit mehr oder weniger großem Erfolg. 

Dabei ist Familie für die meisten das Wichtigste in ihrem Leben. 

In seinem Buch "Die 7 Wege zur Effektivität für Familien" schreibt Stephen R. Covey, Vater von neun Kindern:

"Es ist ganz wichtig, dass die gesamte Familienkultur auf ein Ziel ausgerichtet ist, auf das sich alle geeinigt haben. Jeder im Cockpit muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Es darf einfach nicht vorkommen, dass der Pilot glaubt, der Flug gehe nach New York, der Flugingenieur aber denkt, dass Chicago das Ziel sei. ... Es würde bedeuten, dass man das Leben einfach nimmt, wie es gerade kommt. Man lässt sich vom Strom der gesellschaftlichen Werte und aktuellen Trends mitreißen, ohne Vision und Ziel. Dann lebt man gar nicht, sondern man wird gelebt." 

Ehrlich gesagt, kenne ich bisher keine Familie, die ihre "Familienkultur auf ein Ziel" ausrichtet. Außer die Katzenklo-Familie natürlich. Aber die musste, weil ich sonst bei meinen Lesern unglaubwürdig würde. 

Ob es uns gelingt, die Ziele auf der Tafel im Flur zu erreichen, wird sich zeigen. Auf jeden Fall war es schön, darüber ins Gespräch zu kommen, und interessant zu sehen, wo der einzelne seine Schwerpunkte hat. 

Hier noch die Punkte, die mir Leserin Dorthe per Mail geschickt hat.

Mir ist wichtig, dass ...
- wir uns aufeinander verlassen können, uns unterstützen, geistig -nicht nur körperlich- anwesend sind, Interesse zeigen (und auch haben)
- uns so VERtrauen, dass wir uns immer trauen, Probleme, Ängste oder "gebaute Scheiße" miteinander zu besprechen
- die Kinder/das Kind selbstbewusste Persönlichkeiten werden, sich nicht von anderen unterdrücken lassen, mit sich selbst "im Reinen" sind, wissen: anders ist nicht schlecht, nur anders. (Und die Mama und der Papa sollten das auch können...)
- wir alle zusammen Zeit verbringen (möchten), gemeinsam essen, Rituale (wie die Gute-Nacht-Geschichte)
- sich alle untereinander zuhören, ausreden lassen, nicht anschreien, nicht beleidigen, nicht handgreiflich werden
- sich alle auch wirklich Zuhause fühlen, gerne dort sind, auch mit Freunden
- wir gemeinsam lachen und Spaß haben. Das kann ein Theaterbesuch sein, aber auch
gemeinsam im Schrebergarten den Fröschen hinterher hüpfen
- wir die Wünsche und Träume, aber auch die Ängste untereinander ernst nehmen, die Kinder wissen: alle Träume können wahr werden, wenn wir den Mut haben, ihnen zu folgen (von Walt Disney)


Sich immer schön fröhlich über Ziele klar werden

Uta 

Sonntag, 21. April 2013

Glückliche Familie Nr. 139: Naives Herzchen?


Ich habe einen kleinen Gedichtband, der im Handel nicht mehr erhältlich ist und bei "ebay" inzwischen gebraucht für fast 80 € gehandelt wird. Weil ich euch gerne an der Freude teilhaben lassen wollte, die mir diese Gedichte immer wieder schenken, fragte ich die Dichterin per Mail, ob ich gegen Schutzgebühr ein paar Zeilen von ihr auf mein Blog stellen dürfte.

Ich erhielt eine Absage.

Sie schrieb, sie werde so häufig im Internet ihrer Worte beraubt, dass sie es auf keinen Fall erlauben werde. Sie lebe von ihren Gedichten und sei darauf angewiesen, dass sie ihr Eigentum blieben. Ich könnte sie bei ihr auf Grußkarten erwerben.

Ich verstehe das und es tut mir leid, dass jemand, der so schön dichten kann, sich mit Unterlassungsklagen herumschlagen muss.

Den kleinen Band mit dem marmorierten Buchdeckel, den ich schon zum Fotografieren in Pose gelegt hatte, schob ich zurück ins Regal. Ein bitterer Nachgeschmack bleibt.

In dem Coaching-Seminar*, das ich besucht habe, unterscheiden die Trainer zwischen zwei grundlegenden Ausrichtungen.



Angst, Mangel, Misstrauen    -    Liebe, Fülle, Vertrauen


Wenn es mir mal nicht gut geht, ich mich unsicher fühle oder ängstlich, hilft mir diese Unterscheidung sehr. 

Uta, hallo? Aufwachen! In welcher Abteilung wollten wir unterwegs sein? 

Natürlich in der Abteilung "Vertrauen". 

Weil ich so ein naives Herzchen bin? 

Nein. 

Ganz schlicht, weil es besser funktioniert, weil ich Erfahrungen mache, die ich verpasst hätte, wenn ich mich in der Angst-Abteilung eingekapselt hätte, weil Mangel-Denken mich austrocknet, Misstrauen einsam macht. 

Vielleicht würden die Gedicht-Bände von Frau W. neu aufgelegt, wenn sie in der Blog-Welt neuen Zuspruch fänden, vielleicht würde die positive Resonanz so weit den Missbrauch übertreffen, dass sie wegen der vielen neuen Aufträge gar keine Zeit mehr hätte für Termine beim Anwalt. 

Je mehr Erfolg jemand hat, desto größer ist auch das Risiko des Missbrauchs.

Aber deshalb auf Erfolg verzichten? 

Kronprinz (15) hat sich in den vergangenen Wochen zum Graffiti-Künstler entwickelt. Er sprüht seine Bilder auf alte Spanplatten, die wir noch im Keller hatten.
"Das reicht mir nicht mehr", sagte er vor zwei Wochen. "Ich möchte, dass Leute sehen, was ich mache." 
Er stellte ein Brett bei uns in der Straße an die Bushaltestelle. Dort lehnte es zwei Tage an der Rückwand des Wartehäuschens. Dann war es plötzlich weg. 

Eine Pappe mit einem anderen Motiv klebte er mit leicht löslichen Klebestreifen an einen Stromkasten. Ein Woche lang musste ich lächeln, wenn ich mit dem Auto daran vorbei fuhr. Dann lag es zerrissen im Sand.

Sein Bild des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un sprühte er auf Pappe und befestigte es an seinem alten kaputten Fahrrad. Das Fahrrad schob er an die nächste S-Bahn-Haltestelle und schloss es für alle Reisenden gut sichtbar an ein Geländer.
Knapp eine Woche hat es gehalten. Dann lag auch "Kim" in Stücken auf dem Gehweg.


Graffiti-Farben mit Schablonen-Technik auf Pappe, Kronprinz.

Der Kronprinz aber hat schon die nächsten Werke in Arbeit.

Immer schön fröhlich sich verschenken, lieben, vertrauen, Fülle genießen

Uta

*CoachingAcademie Bielefeld

Montag, 15. April 2013

Glückliche Familie Nr. 138: Corporate identity


Der dänische Familientherapeut Jesper Juul hat mal gesagt:


"Das Ziel ist nicht, eine 'richtige' Familie zu schaffen, sondern unsere Familie."


Viele Firmen haben eine "corporate identity", vereinbarte Ziele, die dem ganzen Unternehmen eine Ausrichtung geben.

Warum haben wir als Familie keine "corporate identity"?

Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann hat in einem Vortrag* dargelegt, wie sich die Elternrolle von 1950 bis heute gewandelt hat. Hurrelmanns These: In den 50er Jahren lebten Familien viel mehr in geschlossenen Milieus. Die Verwandten, die Nachbarn, die anderen Mitglieder in der Kirchengemeinde ... alle erzogen ihre Kinder ungefähr gleich.

Heute seien die Strukturen viel durchlässiger. Mütter und Väter hätten heute deutlich mehr Freiheiten in der Kindererziehung, fühlten sich aber orientierungslos und allein gelassen.

Wo brauchen Kinder Grenzen, wo sollte man ihnen ihre Freiheit lassen?

Hurrelmanns Fazit: "Es ist viel anspruchsvoller heute Eltern zu sein." Und: "Wir müssen die Elternrolle neu aufstellen."

Folgende Übung aus dem Elterntraining kann euch helfen, euch über eure Familienziele klar zu werden.

Dazu habe ich aufgelistet, welche Familien-Ziele mir so in den Sinn kamen. Toll ist, wenn ihr die Liste weiter ergänzen könnt. Bestimmt habe ich viele Aspekte vergessen.

Am besten geht ihr folgendermaßen vor:

1. Liste ausdrucken
2. spontan ankreuzen, was euch wichtig ist (nicht lange nachdenken)
3. die 8 wichtigsten Punkte ausschneiden und nach Wichtigkeit ordnen

Es geht nicht darum, was als richtig angesehen wird oder was Großeltern, Paten, andere Eltern oder die Gesellschaft von euch erwarten, sondern was euch am Herzen liegt.

Vielleicht sind es Dinge, die banal erscheinen, die ihr aber dringend ändern möchtet und die euch deshalb anspringen, z.B. "gesittet essen können".

Vielleicht seid ihr sehr zufrieden mit eurem Familienleben, möchtet euch aber klarer ausrichten. Dann wählt ihr wahrscheinlich übergeordnete Ziele wie ("nicht verlernen, die Gegenwart zu genießen")


Mir ist als Mutter/Vater wichtig, dass ...
  • wir gemeinsam essen
  • jeder seinen Teller leer isst
  • wir uns bei Tisch angeregt unterhalten
  • niemand mit vollem Mund spricht
  • die Kinder (Ki) ihre Kleider schonen
  • die Ki pünktlich sind
  • die Ki bescheiden sind
  • wir miteinander lachen
  • wir uns ausreden lassen
  • wir uns an Absprachen halten
  • die Ki gerne Freunde mitbringen
  • die Wohnung/das Haus schön und ordentlich ist
  • wir uns nicht anschreien
  • ich bestimme, wann Schulaufgaben gemacht werden
  • die Ki die Schulaufgaben machen ... egal wann
  • die Ki ihr Zimmer regelmäßig aufräumen
  • wir uns um Menschen in Not kümmern
  • die Ki „bitte“ und „danke“ sagen
  • die Ki andere nicht verpetzen
  • wir uns in der Familie gegenseitig unterstützen
  • die Ki schön angezogen sind
  • die Ki lernen, sich körperlich zu pflegen
  • die Kinder gute Noten in der Schule erreichen
  • wir uns die Wahrheit sagen
  • die Ki sich nicht hauen
  • wir zusammen beten
  • die Ki an Gott glauben
  • die Ki in einer Kirchengemeinde sind
  • die Ki ein Musikinstrument lernen
  • die Ki Sport treiben
  • die Ki mit Tieren aufwachsen
  • die Ki viel in der Natur sind
  • die Ki Zeit haben zum freien Spiel
  • die Ki viele Hobbys haben
  • die Ki Haushaltspflichten übernehmen
  • wir nicht über Freunde lästern
  • wir nicht über die Schwächen anderer lachen
  • die Ki gesittet essen können
  • die Ki nicht pupsen oder rülpsen
  • die Ki sitzen bleiben, bis alle am Tisch fertig gegessen haben
  • wir mit den Ki in Theateraufführungen oder Konzerte gehen
  • die Geschwister sich gut verstehen
  • die Ki wenige Schimpfwörter benutzen
  • die Ki nicht verlernen, die Gegenwart zu genießen
  • die Ki gut für berufliche Herausforderungen gewappnet sind
  • die Ki ermutigt werden, ihr Potenzial auszuschöpfen
  • ______________________________________
  • ______________________________________

Ich werde den Soßenkönig, Kronprinz (15) und Prinzessin (12) fragen, ob sie sich auch die wichtigsten Punkte heraus suchen mögen (ich sehe schon, wie sie mit den Augen rollen). Die Kinder werde ich bitten, sich vorzustellen, sie hätten selber Kinder (wahrscheinlich werden sie davon absehen, jemals welche zu bekommen, wenn es ein solch anstrengendes Unterfangen ist). Aber wenn alle dazu bereit sind, bekommen wir tatsächlich eine "corporate identity" für unsere Familie. 

Während ich diesen Post schrieb, habe ich ein Brot gebacken (Backmischung, ich geb's zu), Bellis in Körbe gepflanzt und Prinzessin das iPad abgeluchst. Dabei ist mir die Einschätzung, ob diese Übung hilfreich für euch sein könnte, irgendwie abhanden gekommen. Vielleicht sollte ich diesen Post einem 100-Punkte-Check unterziehen,  nein, mir schwirrt der Kopf und aus dem Backofen riecht es verdächtig. 

Ich halte euch darüber auf dem Laufenden, ob das Brot geschmeckt und wir als Familie eine Ausrichtung gefunden haben.

Gibt es da draußen jemanden, der mir seine 8 Punkte schreiben mag? 

Immer schön fröhlich bleiben

Uta 

* bei einem Vortrag 2009 in Potsdam 

Mittwoch, 10. April 2013

Glückliche Familie Nr.137: Von der Leichtigkeit des Eltern-Seins


Prinzessin (12) lag gestern morgen in ihrem Zimmer auf dem Boden und versuchte, Hotpants anzuziehen, die sie zuletzt getragen hat, als sie noch Zahnlücken hatte.

Sie nimmt in Mathe gerade Wahrscheinlichkeitsrechnung durch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Knopf, der sich auch bei allem Ziehen und Zerren eine Handbreit entfernt vom Knopfloch befand, sein Ziel erreichen könnte, lag bei Null. Der Reißverschluss stand in einem Winkel von 90 Grad offen.

"Warte mal, daraus lässt sich eine lebensnahe Textaufgabe formulieren."

"Mama", ächzte Prinzessin, "hilf mir lieber."

Wir schnitten bei einer aktuellen Jeans die Beine ab. Ich ging Brötchen aufbacken.

Wenig später auf der Treppe die Fohlenbeine.
Mehrere Stufen lang nur Beine, schwarz, lang, seidenmatt, ... endlich fing die Hose an, war aber schnell zu Ende.

Ich schluckte.

Sieht es billig aus? Ist es zu sexy?

Was machen diese Beine mit der Konzentration des Referendars?

Der Backofen piepste.

"Hast du meinen Mathe-Zettel gesehen?" Prinzessin hatte ihr schimmerndes Untergestell eingeklappt und wühlte in einem Stapel mit Schulsachen.

Ich? Was? Mathezettel?

Vor meinem geistigen Auge sah ich keine Zettel, ich sah andere Mütter tuscheln, sah die Schulleiterin mit der "Sitte" telefonieren, den Hausmeister eine Plane vor das Kind halten.

Prinzessin hielt das warme Brötchen wie ein Vögelchen in beiden Händen und lächelte sonnig.

Ich lächelte zurück, sagte nichts.

War das Feigheit oder Mut? Verantwortungslosigkeit oder Vertrauen?

Sollte ich meine Tochter in Stil und Moral strenger unterweisen?

Als Prinzessin mittags zurück kehrte, trug sie eine petrolfarbene, lange Jeans.
"Ich habe mich in der ersten Pause umgezogen. Lina hatte noch eine Sporthose dabei und hat mir ihre Jeans gegeben."-
"Hat denn jemand über dein Outfit gemeckert?" -
"Nein, aber ich habe mich damit irgendwie nuttig gefühlt. Das ging gar nicht."

*

Immer wieder erlebe ich es, dass ich gar nichts sagen muss, dass die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen und häufig daraus die Schlüsse ziehen, die ich mir innerlich wünsche. (Dabei könnte ich mit den Hotpants sogar gut leben. Solche Beine müssen gefeiert werden!)

Ich habe schon einmal geschrieben, dass das Buch "Unterstützen statt Erziehen" meine Bibel im Umgang mit den Kindern ist. Manchmal lasse ich mich verunsichern, wenn ich andere Eltern erlebe, wie sie kämpfen, streiten, zwingen, sich abmühen, im Recht sein wollen.

Bin ich nur zu bequem oder zu schwach, um mich durchzusetzen?

Andere haben so viel Krieg zu Hause.

Sind der Soßenkönig und ich zu harmoniebedürftig, um schlechte Stimmung - vielleicht zum Wohl der Kinder - auszuhalten?

Eltern sollten sich nicht anbiedern. Sie sind nicht die Kumpel ihrer Kinder. Diese Kumpanei, die meine ich auch gar nicht.

Aber diese permanente Besserwisserei von Erwachsenen gegenüber Kindern, diese angebliche moralische Überlegenheit geht mir gehörig gegen den Strich.

Nur weil viele von uns resigniert haben und den Mut verloren haben, ihr Leben in vollen Zügen auszuschöpfen, halten wir die Kinder klein. Haben Sorge, dass die anderen Eltern schlecht von uns denken könnten. Haben Bedenken, welchen Eindruck der Lehrer von unserem Kind gewinnt. Haben Angst, unser Kind könnte mit seinem Eigensinn in dieser Gesellschaft nicht zurecht kommen.

Ja, darüber kann ich mich aufregen.

Aber dann weiß ich, dass ich meinen Weg weiter gehen möchte.



Erziehen darf leicht sein. 

Leben darf leicht sein. 




Weg mit der Angst!

Habt eine größere Vision von eurem Kind als es selber hat.*

Bleibt immer schön fröhlich, haltet viel häufiger den Mund, lasst die Liebe fließen und macht es euch nicht künstlich schwer

Uta


* nach den Coaches Maria und Stephan Craemer


Freitag, 5. April 2013

Glückliche Familie Nr. 136: Toxische Selbsteinschätzung


In der vergangenen Woche war ich auf eine Party eingeladen, auf der ich bis auf die Gastgeber niemanden näher kannte. Ich zog meinen Lieblingsblazer der Marke "Selbstwert-Panzer" an und puderte mein Gesicht, bis sich die Nase auf einer Ebene mit den Wangen befand. Als die Wolken des stärksten Deos mein Spiegelbild umwaberten, sprach ich:

"Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Souveränste im ganzen Land?"

"Frau Uta, Sie sind die Souveränste im ganzen Land. Selbst wenn niemand das Wort an Sie richten sollte, werden Sie lächelnd durch den Raum schweben.

"Spieglein, Spieglein an der Wand. Aber werde ich mich auch nicht allein und unsicher fühlen?"

"Frau Uta, Sie sind die Unabhängigste im ganzen Land. Alle Gäste werden spüren, dass Sie Ihr Bedürfnis, von anderen anerkannt zu werden, längst losgelassen haben."

"Spieglein, Spieglein an der Wand, wenn aber jemand, der von meiner inneren Freiheit magisch angezogen wird, das Wort an mich richtet, werde ich auch geistreich und schlagfertig sein?"

"Frau Uta, Sie können plaudern mit Wortwitz und Charme, aber der Dieter Nuhr zwischen den tausend Buchdeckeln und auf den vielen Fernsehkanälen ist tausendmal geistreicher als Sie."

Da erschrak Frau Uta und ward gelb und grün vor Neid (durch das ganze Make-up durch). Sie zwängte sich in ihren figurbetonenden Blazer, schnürte fest die Stiefel, die Frau Uta satte vier Zentimeter Größe hinzufügten, und hieß ihr Navi, den Weg zur Party zu finden.

Die Party war okay. Es gab kein Bar-Gestehe (ich hasse Bars, kriege Nackenverspannungen vom Hochgucken zu den Gesprächspartnern, höre nicht zu, weil ich fieberhaft überlege, wie ich ohne Seil auf den nächsten Barhocker komme).

Also kein Bar-Gestehe, sondern Tischreihen, bei denen es kein Entkommen für die Gesprächsopfer gibt.

Es war nett, doch.

Wirklich.

Ganz ehrlich.

Trotzdem laugen solche Veranstaltungen mich völlig aus. Müde und abgekämpft kam ich nach Hause. Und mein Mann meinte, dass meine Small-Talk-Aversion fast einer Behinderung gleich käme.
Wie könnte ich annehmen, dass irgend ein Fremder mit mir über Wertevermittlung im 21. Jahrhundert, den Sinn unseres Daseins oder die Existenz Gottes sprechen wolle?

Recht hat er.

Warum kann ich nicht rumblödeln und dabei ein Carpaccio auf der Zunge zergehen lassen?

Wupps, war ich drin in der Selbstabwertungsschleife.

Dabei hatte ich mir beim Lesen des Buches "Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben" von John Izzo vorgenommen, mich nie, wirklich nieeeee wieder mit dem Thema "Selbstwert" zu beschäftigen, weil es eine solche Energieverschwendung ist "wie hypnotisiert mit einer Art toxischer Selbsteinschätzung" (S. 103, ebd.) herum zu laufen.

Mir ist außerdem klar geworden, dass Menschen, die immer wieder behaupten, sie hätten ein geringes Selbstwertgefühl, furchtbar um sich selber kreisen, statt sich mit all ihren Fähigkeiten in dieses Leben zu schmeißen und Spuren zu hinterlassen.

Jetzt gibt es noch ein Schmuckfoto ...


"Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der entspannteste Kater im ganzen Land?"



... und zwei Schlussfolgerungen:

  1. Ich gehe nicht mehr zu solchen Partys.
  2. Ich lese Prinzessin (12) die nächsten Abende je ein Kapitel aus dem Buch  "Mein Leben ohne Limits. Wenn kein Wunder passiert, sei selbst eins!" von Nick Vujicic vor, weil ich nicht zulassen werde, dass meine Kinder zu einer "toxischen Selbsteinschätzung" kommen.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta 

Dienstag, 2. April 2013

Glückliche Familie Nr. 135: Das Kind anerkennen, Folge 4


Eine Bilderleiste ist für mich eine Leiste der Anerkennung. Nirgendwo kann man so schön Kinderkunst präsentieren wie auf einer Bilderleiste.

Wir haben unser Wohnzimmer in den vergangenen Jahren mehrfach umgestaltet, aber was immer blieb, war die geliebte Bilderleiste.

Klar ist es auch schön und schnell, Gemälde der Kinder mit Magneten an den Kühlschrank zu hängen. Aber gerahmt im Wohnzimmer bekommt so ein Werk eine ganz andere Aufmerksamkeit. Und auf einer Bilderleiste kann ich täglich neue Bilder stellen und sogar kleine Objekte dazu dekorieren.

Kinder darin zu bestärken, die eigene Schöpferkraft zu entdecken, ist das Größte überhaupt.

Wenn man mal erlebt hat, wie es ist, etwas Eigenes zu erschaffen, hat man für immer eine Möglichkeit, Anerkennung aus sich selbst zu schöpfen.


Zu Ostern Hasenmaske wieder hervor geholt, die Prinzessin (heute 12) in der  Grundschule "geprickelt" hat.


Wellenbild in IKEA-Rahmen ohne Glas, Prinzessin in Grundschule


Stadtansicht, Graffiti-Farbe mit verschiedenen Folien auf Pappe gesprüht, aktuelles Werk von Kronprinz (15)


Außer auf der Bilderleiste kann man Kinder-Kunst auch als laminierte Sets auf dem Tisch präsentieren.

Bild von Prinzessin aus der Vorschul-Zeit im Copy-Shop auf Din-A3-Größe kopiert und laminiert ergibt ein abwischbares Tisch-Set.


Ein paar Tipps:
  • Man sollte nicht bei jeder Krikelei in Verzückung ausbrechen. Mit der Zeit bekommen Eltern ein Gefühl dafür, ob es sich um ein ambitioniertes Werk handelt oder nicht. 
  • Wenn möglich, sich die Zeit nehmen, ein frisches Gemälde in Ruhe anzuschauen. 
  • Kein undifferenziertes "gaaaaaaaaaanz toll", sondern so Dinge sagen wie: "Mir gefällt, wie der Räuber guckt", "Das sind genau meine Farben" oder "Dein Bild macht mich fröhlich" (wenn es denn stimmt). Wenn mir aber gerade der Milchreis anbrennt, fällt meine Kunstkritik auch deutlich knapper aus. 
  • Wer sich zu Äußerungen hinreißen lässt wie "Es gibt aber keine karierten Tannen", "Dieses Haus kannst du noch schöner malen" oder "Die Linie ist falsch" bekommt hier sofort Leseverbot. 

Wer hat noch Ideen, wie wir Kinder-Kunst schön präsentieren können?

Immer fröhlich Kinderbilder rahmen und auf Bilderleisten stellen

Uta


Bilderleisten gibt es in verschiedenen Längen hier.

Das Wellenbild aus Prinzessins Grundschulzeit ist eine geniale Bastelidee ... finde ich. Dazu wird ein ganzes Zeichenblock-Blatt mit blauer Wasserfarbe angemalt, nach dem Trocknen in wellenförmige Querstreifen geschnitten und schuppenartig auf ein anderes Blatt geklebt. Dann können die Kinder noch Fische, Algen, Boote, Schwimmer usw. malen und zwischen die Wellen stecken. Besonders schön sieht es aus, wenn die Fische Schuppen aus Silberpapier aufgeklebt bekommen.