Montag, 3. März 2014

Glückliche Familie Nr. 203: Teilen müssen


Steven R. Covey beschreibt in seinem Buch über "Prinzipien für starke Familien", wie er nachmittags zu der Geburtstagsfeier seiner dreijährigen Tochter nach Hause kam. Viele große und kleine Gäste waren versammelt, aber die Stimmung war schlecht, weil das Geburtstagskind in einer Ecke saß und trotzig seine Geschenke umklammerte. Keines der anderen Kinder durfte damit spielen.

Covey hockte sich zu seinem Kind und sagte Sätze wie:

"Schatz, würdest du bitte das Spielzeug, das deine Freunde dir mitgebracht haben, mit ihnen teilen?" -

"Nein!" -

"Schatz, wenn du jetzt die anderen Kindern mit deinen Geschenken spielen lässt, darfst du sicher ein anderes Mal auch mit ihren Geschenken spielen."

"Nein!" -

Corveys Verlegenheit wuchs. Schließlich wussten alle, dass er an der Uni Kurse gab über das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen und konnten nun erleben, wie er zu Hause versagte.

"Schatz", diesmal flüsterte er, "wenn du deine Sachen teilst, gebe ich dir einen Kaugummi."-

"Nein", schrie diesmal der Schatz, "ich will keinen Kaugummi."

Da Covey, der überzeugte Christ, den Wert des Miteinander-Teilens besonders hoch hielt, riss er seiner Tochter das Spielzeug aus der Hand und gab es den anderen Kindern. Später fiel ihm auf, dass er Gewalt-Verzicht, den anderen christlichen Wert, dafür missachtet hatte.

Später schrieb er: "Seit jener Geburtstagsfeier haben Sandra (seine Frau, Anmerkung der Bloggerin) und ich uns als Eltern weiterentwickelt. Heute verstehen wir besser, dass Kinder Entwicklungsphasen durchlaufen. Wir wissen jetzt, dass es nicht realistisch ist, diese Art des Teilens von Kindern unter fünf oder sechs Jahren zu erwarten. Und auch für ältere Kinder ist das Teilen manchmal gar nicht so einfach."

Ein paar Seiten später finde ich noch den Satz:

"Kinder haben das Bedürfnis, ihr Spielzeug zu besitzen, bevor sie bereit sind, es mit anderen zu teilen."

So wie Babys auch erst Worte hören müssen, ehe sie selbst welche bilden können, wie sie erst krabbeln können müssen, ehe sie laufen lernen.

Das ist einleuchtend, oder?

Trotzdem ist die Sache mit dem Teilen ein berüchtigter Stressfaktor für Eltern. Bei der großzügigen Ausgabe von Schaufel und Förmchen, beim Durchbrechen von Salzstangen und beim Verteilen von Gummibärchen sollen sie zum ersten Mal soziales Verhalten beweisen. Alle sitzen im Kreis bei den Tupperdosen und warten auf die wundersame Keksvermehrung.

Das ist das klassische Feld, auf dem Eltern einen guten Eindruck machen wollen. "Seht her, so sozial ist mein Kind." Die Leute versuchen, über ihre Kinder Anerkennung für sich selber zu bekommen. (Ich weiß das, weil ich ganz vorne mit dabei war.)

Und die anderen Eltern, die nicht einschreiten, wenn ihr Niklas-Joshua eine feindliche Übernahme in der Sandkiste startet, kreisen so sehr um ihren geliebten Nachwuchs, dass sie meinen, er müsste immer von der ganzen Welt alles sofort bekommen. Wenn dann die schüchterne Sofia weint, weil sie bestohlen wurde, blicken sie auf die Mutter herab und denken: "Dein Kind kann wohl nicht teilen."

"Das ist mein Kater, kapiert?" Prinzessin vor fünf Jahren am Rosenmontag.

Utas Schlussfolgerungen für Teilungs-Konflikte:

  • Verstehen und akzeptieren, wenn Kinder unter sechs Jahren noch nicht teilen können. Kein großes Aufheben darum machen.
  • Das eigene Kind zurückpfeifen, wenn es anderen Kindern gegen ihren Willen etwas wegnehmen will.
  • Verstehen, dass Kinder nicht teilen lernen, wenn man sie zwingt, etwas abzugeben.
  • Auf lange Sicht lernen Kinder teilen, wenn sie ihre Eltern als großzügig erleben.

Der letzte Punkt ist mir besonders wichtig. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich großzügig werde, ist höher, wenn ich selber Großzügigkeit am eigenen Leib erfahren habe. Das zeigen auch Untersuchungen darüber, wie Mitgefühl entsteht. Katrin Bischl schreibt in "Psychologie Heute": 
"Je feinfühliger die Mütter mit ihren zweijährigen Kindern umgegangen waren, umso mehr Mitgefühl und prosoziales Verhalten zeigten diese im Alter von fünf Jahren." (Psychologie Heute, 9/2003, S. 17)
Wenn ich mein Kind zwinge, anderen etwas abzugeben, mag das auf Dauer auch funktionieren. Aber dann bringe ich meinem Kind bei, nicht auf das eigene Gefühl zu hören, sondern zu tun, was andere von ihm erwarten. 
Das möchte ich nicht. Ich möchte, dass meine Kinder "aus-vollem-Herzen-Menschen" sind. Menschen, die aus vollem Herzen etwas schenken, teilen und auf andere eingehen. Alles andere hat doch keinen Wert, oder?

Immer fröhlich akzeptieren, wenn kleine Kinder noch nicht teilen können.

Eure Uta


PS 1: Es gibt ja auch die Kinder, die anderen immer alles kampflos überlassen. Ich hoffe, dazu fällt mir auch bald was ein.

PS2: Guckt mal hier gibt es eine spannend-komische Gespenster-Geschichte zum Vorlesen, ein richtiger Mut-Macher für kleine Mädchen.