Mittwoch, 26. September 2012

Glückliche Familie Nr. 84: Besseres Blutbild


Mein Mann dringt seit langem darauf, dass ich über gutes Zuhören schreibe. Da ich aber aus unserem Alltag kein Beispiel dafür habe, liegt das Thema auf Eis.

Ich lauere jetzt immer auf eine Situation, in der ich lausig zugehört habe, damit ich schildern kann, welche fatalen Folgen das für die Kinder hat.

Aber es ist wie mit dem blauen Elefanten, an den man nicht denken soll ("Nein, ich denke nicht an den blauen Elefanten. Blauer Elefant. Nein, ich denke nicht, an ....").

Und wenn man auf eine "Schlecht-zugehört-Situation" wartet, kann man plötzlich gar nicht mehr anders als "gut zuhören".

Seither haben wir zu Hause eine Harmonie, die schlecht für das Schreiben ist.

Ihr wisst, dass aus seelischem Leid die größte Literatur wird.

Hermann Hesse zum Beispiel: Ohne seine furchtbare Kindheit in einer Besserungsanstalt wäre aus ihm nie ein großartiger Schreiber geworden.

Sorgt Zuhören dafür, dass Familie besser funktioniert?

Auf jeden Fall.

Ein gutes Beispiel für wirkliches Zuhören ist der Shooting-Star unter den Pädagogen, ist der Familienberater Jesper Juul. Ich habe ihn vor zwei Jahren bei einem Vortrag an der Uni Hamburg gehört. Wenn ihm jemand eine Frage stellte, verging so viel Zeit der Stille und des Nachdenkens, dass ich in der Zeit mit dem Fuß meine Tasche angeln, ein Eukalyptus-Bonbon herausholen und es in aller Ruhe aus dem Papier drehen konnte. Erst dann kam die Antwort des gemütlichen Dänen. Dass sich jemand in aller Öffentlichkeit so viel Zeit zum Nachklingen der Worte eines anderen nahm, war das Beeindruckendste an der ganzen Veranstaltung.

Mein Freundin sagte neulich, dass die Fähigkeit zum Zuhören für sie einer der wichtigsten Gründe für eine Freundschaft ist. "Man hat es doch oft mit Menschen zu tun, die das, was du sagst, nur als Stichwort für ihren eigenen Monolog verwenden." Mit so jemanden, sagte sie, könne sie keine engere Verbindung aufbauen.

Ich habe recherchiert, ob es Methoden gibt, mit denen Zuhören besser gelingt. Dabei bin ich auf das Zwiegespräch nach Michael Lukas Moeller gestoßen. Das ist eine Methode aus der Paartherapie (hier sehr schön erklärt) und geht so:

  • Die Partner vereinbaren einen festen Termin pro Woche.
  • und gleich einen Ersatztermin (Rausmogeln gilt nicht).
  • Sorgen für Ungestörtheit: keine Kinder, kein Telefon, keine Smartphone-Signale für eingehende Nachrichten, kein TV, keine Ablenkungen ...
  • Sie legen eine Uhr bereit.
  • Jeder bekommt 15 Minuten Zeit.
  • In dieser Zeit redet die Person nur über sich selbst (heißt: nicht vorwurfsvoll über den anderen)
  • Der andere unterbricht nicht, hört nur zu, darf nicht einmal Verständnisfragen stellen.
  • Wenn jeder der beiden Partner jeweils 15 Minuten geredet hat, gibt es noch einmal 15 Minuten für den gegenseitigen Austausch. 
  • Dann ist Schluss, kein Nachgespräch! 

Das ist kein Damenbart, sondern ein Pflaster. Und das ist kein Stillleben aus unserer Puppenstube, sondern ein Bild mit Symbolgehalt. Es soll transportieren: Er hat Redezeit. Sie muss die Klappe halten. Keine Vorwürfe, kein Gejammer, nicht einmal Verständnisfragen. (Irgendwas läuft schief, wenn man Symbolbilder erklären muss.) 


Achtung! Ich muss davor warnen: Beim Zwiegespräch erfährt man wirklich etwas von dem anderen. Diese simple Technik hat schon Ehen gerettet. Sogar das Blutbild verbessert sich. Dazu gibt es Messungen.

Sie kann auch angewendet werden für Gespräche von Mutter/Vater mit Sohn/Tochter. 

Ich weiß nicht, ob mein Mann sich diesen Post so vorgestellt hat. Ich merkte aber beim Schreiben, dass er immer mehr zusteuerte auf das Thema "Dem Partner zuhören" statt "Dem Kind zuhören".

Wenn wir Frauen allzu sehr aufgehen in dem fröhlichen Kindertrubel, laufen wir Gefahr, unseren Partner in der Wichtigkeit hinter dem Meerschweinchen einzusortieren.

Immer schön fröhlich Zwiegespräche führen

Uta