Dienstag, 1. Juli 2014

Glückliche Familie Nr. 228: Strafe oder logische Konsequenz?


Ich bin gebeten worden, darüber zu schreiben, was man gegen das Trödeln bei Kindern tun könne.

Das fragt man mich?

Ich erhole mich heute noch von den Kämpfen, die wir mit Kronprinz hatten, weil es Stunden dauerte, bis er die Jacke anzog und den Ranzen schulterte, um endlich in die Grundschule zu gehen. Da war die Cornflakes-Schachtel, in die er Fenster schneiden musste, da tauchte das Lego-Teil auf, das er so lange vermisst hatte, da musste das Zahnpasta-U-Boot im Waschbecken seine Torpedos abfeuern. Regelmäßig waren der Soßenkönig und ich mit den Nerven am Ende, ehe der Tag richtig begonnen hatte.

Wenn man daneben steht, wird es meistens noch schlimmer. Schnell entstehen Machtspielchen und das "Ich zähle bis drei, dann hast du deine Jacke an" nutzt sich auch irgendwann ab. Vor allen Dingen: Was machen Eltern, wenn sie "zwei-drei-viertel" zählen, und die Jacke immer noch am Haken hängt? Das Kind packen und aus dem Haus zerren? Schon mal voraus laufen und hoffen, dass es nachkommt? Fernsehverbot?

Der Kronprinz spürte genau, wie verliebt ich in ihn war (und bin), gerade wegen seiner überbordenden Phantasie und seiner Verträumtheit. Und er musste jedes Mal austesten, wie weit er damit gehen konnte.

Heute weiß ich, da hilft nur Folgendes:

  • Sich klar werden, da besteht eine Situation, die ich nicht mehr aushalte.
  • Sich bewusst machen, dass man als Eltern eine klare Haltung einnehmen muss. In meinem Fall gab es tief in mir drin eine Wehmut: "Schade, dass mein kleiner Träumer zur Schule muss." Kinder sind Experten im Aufspüren von Unsicherheit und Unentschiedenheit. Die haben es sofort spitz, wenn wir unklar sind.
  • Für sich selber eine klare Position formulieren und verinnerlichen: "Der Kronprinz geht ab morgen ohne Stress pünktlich zu Schule. Das ist wichtig für ihn und für mich. Ende-Gelände."
  • Ich bleibe ruhig und gelassen und - Achtung, jetzt kommt das Entscheidende - lasse es geschehen, dass er vielleicht einige Male richtig zu spät kommen wird.
  • Es kann sinnvoll sein, die Lehrerin (und eventuell den eigenen Arbeitgeber) in dieses Vorgehen einzuweihen. 

Ihr ahnt schon, was mein Thema heute ist: die logische Konsequenz.

Wenn meine Teenager ihre Schmutzwäsche nicht in den Wäschekorb tun, wird sie nicht gewaschen.

Wenn es mit dem Zähneputzen bei Kindern im Grundschulalter nicht verlässlich klappt, kaufe ich keine Süßigkeiten.

Wer sein Zimmer nicht einmal die Woche aufräumt, muss damit leben, dass es nicht geputzt wird.

Wer ein Glas fallen lässt, fegt die Scherben auf (oder hilft dabei, je nach Alter).

Wer seine iTunes-Schulden nicht bezahlen kann, arbeitet sie ab (Auto aussaugen, Rasen mähen, Laub fegen).

Wer ständig draußen auf Strümpfen herumläuft, zahlt vom Taschengeld eine kleine Socken-Steuer.

Das kleine Mädchen, das darauf besteht, jeden Morgen in die Kita das Prinzessinnen-Kleid anzuziehen, darf in dieser Ausstattung nur in die Bücherecke und nicht in die Matschzone (kein Zwingen, kein Schimpfen, aber Absprache mit der Erzieherin).

Wer sich nicht mit einem Sonnenschutz-Mittel eincremen lässt, bleibt im Haus.

"Keine Arme, keine Schokolade!" (aus: "Ziemlich beste Freunde")



Diese Maßnahmen klingen hart, sind aber Schimpftiraden oder Strafen deutlich vorzuziehen.
Hier seht ihr die kleinen, aber entscheidenden Unterschiede zwischen logischer Konsequenz und Strafe:



Logische Konsequenz

Strafe
direkter Zusammenhang zum Geschehen

ohne Zusammenhang, eher Vergeltung

Realität bestimmt das Maß

oft unangemessen
wertfrei
enthält oft moralisches Urteil

es geht um den Sachverhalt

es geht um die Person
keine Abwertung der Person
demütigend

stellt die Beziehung nicht in den Mittelpunkt

gefährdet die gute Beziehung
sachlich

ärgerliche Grundstimmung
das Kind lernt, Verantwortung zu übernehmen
das Kind wird zum Befehlsempfänger und lehnt sich irgendwann auf

copyright: http://wer-ist-eigentlich-dran-mit-katzenklo.blogspot.de/
                


Das ist ein komplexes Thema und ich hoffe, ich erschlage euch damit nicht, denn es geht noch weiter mit den Unterscheidungen.

Es gibt Eltern, die logische Konsequenzen als Strafe einsetzen. Das erkennt man daran, dass sie ihr Kind eine Erfahrung machen lassen und danach sagen: "Siehst du" - "habe ich doch gleich gesagt" - "das passiert eben, wenn man so ein Chaot ist" - "Wer nicht hören will, muss fühlen."

Das sind Sätze aus dem Giftschrank.

Dann gibt es Eltern, die ohne Ende Folgen androhen, aber nie auch nur eine einzige tatsächlich eintreten lassen. Diese machen sich zur Witzfigur für ihre Kinder. Ständig ist schlechte Stimmung und Stress. Nichts wird erreicht.

Das andere Extrem sind die Eltern der harten Schule. Sie sind stolz darauf, dass sie ihre Kinder in jedes Messer laufen lassen, das das Leben so bietet. Diese Kinder werden durchsetzungsfähig und selbstständig, erfahren Familie aber nicht als wärmende Gemeinschaft.

Was funktioniert, ist wieder einmal die Mitte.

Kinder sollten Familie erfahren als einen Ort, wo man sich gegenseitig gerne hilft, man auch mal den Müll rausbringt (Kind) oder  auch mal das Turnzeug in die Schule nachbringt (Eltern). Nur wenn eine Erziehungssituation verfahren ist, das Kind sich immer darauf verlässt, dass die Eltern alles wieder hinbiegen werden, sollten die Eltern den Mut haben, das Schiff auch mal auf Grund laufen zu lassen.

Heute verlose ich ein Bilderbuch, in dem sich Lukas und seine Mutter am Ende der Geschichte gegenseitig helfen.


Ich habe es antiquarisch erworben, ist aber wie neu. 

Wer mitmachen möchte, schreibe mir eine Situation, wo euch und eurem Kind eine logische Konsequenz geholfen hat. Einsendeschluss ist Samstag, 5. Juli, um Mitternacht.

Immer fröhlich die Kunst üben, Kinder liebevoll zu unterstützen und ihnen Freiräume zu geben für eigene Erfahrungen.

Eure Uta