Samstag, 5. Januar 2013

Glückliche Familie Nr. 112: Vampir-Schmacht in der Nacht


Prinzessin (fast 12) übernachtet heute bei einer Freundin. Ich fuhr sie eben im Auto hin.

Wir sprachen nichts.

Sie hatte sich vorher am Computer einen "Twilight"-Film angesehen. Jetzt war sie Bella und starrte ins Dunkel hinter der Windschutzscheibe.

Ich hätte ihr erzählen können, dass das jüngste Album von Adele das meist verkaufte Album des 21. Jahrhunderts ist (Man soll ja die Kinder thematisch da abholen, wo sie stehen.)

Aber wenn man Bella ist, hat man keine Mutter, die einem im Auto ein Ohr abkaut.

Wenn man Bella ist, hat man eine Mutter, die Tausende von Kilometern entfernt in einer neuen Beziehung lebt.

Ich will keine neue Beziehung. Ich könnte den tollsten Vampir treffen, ich würde trotzdem beim Soßenkönig bleiben und Äpfel achteln für mein Kind.

Mit so einer Mutter fährt man lieber schweigend durch den Januar-Abend.

Nirgendwo eine Klippe oder Felsen im Nebel. Nicht einmal Wald, nur rausgeworfene Weihnachtsbäume, Ampeln, Altglascontainer.

"Viel Spaß", rief ich in den Kofferraum, als sie Tasche und Schlafsack aus dem Heck zog.

"Ja, danke".

Ich setzte den Blinker und verfluchte die Erkenntnis, dass es die Hauptaufgabe von Eltern ist, sich mit der Zeit überflüssig zu machen.

In den Büchern, die ich lese, wird auch das Thema "Twilight" aufgegriffen. In "Jugendjahre" schreiben Remo Largo und Monika Czernin, dass diese Filme die Gefühlswelt Pubertierender sehr genau wider spiegeln. ("Jugendjahre" erscheint im Februar als Taschenbuch.)

Vampir Edward stehe für Bedrohung und Verführung, aber auch für Erlösung und Schutz. Bella suche nicht mehr bei den Eltern, sondern bei Edward Geborgenheit. "Ihre Liebe zu ihm ist so absolut wie einst ihre kindliche Liebe zu den Eltern."

Im Film gibt es Menschen, Vampire und Werwölfe. "Jede Gruppe hat ... gute und böse Qualitäten und Wertvorstellungen. In jeder Bande gilt unbedingte Loyalität zur Bande und Schutz vor anderen Cliquen." Die Cliquen, so schreiben Largo und Czernin weiter, seien Metaphern für die Gesellschaft. "Wo gehöre ich hin, wo finde ich soziale Akzeptanz und Anerkennung? ... Aber auch: Woher komme ich?"

Die seltsamen Landschaften von "Twilight", der unheimliche Wald, das weite Meer, die steilen Klippen stünden für eine fremde, bedrohliche Zukunft, die den Jugendlichen Angst mache. "Nur durch Liebe ist diese Welt zu bewältigen."

"Ja, genau, nur durch Liebe", ich schlage das Buch zu.

Darf es noch eine kleine Weile die Liebe von Papa und Mama sein?


Bei der nächsten Autofahrt bin ich gewappnet gegen Vampire.


Immer schön fröhlich lesen und verstehen, das tröstet

Uta

PS: Lieber Soßenkönig, der Papa von Bella ist Polizist. Und nicht einmal der kann sie beschützen.