Samstag, 22. Dezember 2012

Glückliche Familie Nr. 109: Die Schaffenskrise


Immer vor Weihnachten habe ich eine Schaffenskrise. Nicht so wie Künstler, die sich theatralisch an die hohe Stirn fassen.

Sondern ganz praktisch: Ich schaffe das alles nicht!

Die letzten drei Geschenke besorgen, die Haare tönen, der liebsten Freundin das originellste Weihnachts-Familien-Foto der Welt schicken, das Tiramisu diesmal selber machen, Tante Fine eine Karte schreiben, erotisch bleiben für meinen Mann, misslungene Kekse durch silberne Zuckerperlen aufwerten ...

Zu allem Übel lief mir gestern Rolf Zuckowski über den Weg. Wisst ihr der, der die ganzen Kinderlieder geschrieben hat ("Heut' ist dein Geburtstag", "In der Weihnachtsbäckerei" ...). Er wohnt bei uns im Stadtteil und stieg gerade mit einem seiner Enkel aus dem Auto.

Der Enkel hatte gerade laufen gelernt, wankte gegen meine Einkaufstaschen und sagte: "Mama."

(Soviel zu meiner erotischen Ausstrahlung, dass sogar die weltläufigen Zuckowski-Enkel sofort das Muttertier in mir wittern.)

"Ja, das ist vielleicht auch eine Mama", sagte Rolf Zuckowski und nahm den Jungen liebevoll an die Hand.

Bilder stiegen in mir auf. Die ganze Zuckowski-Familie unter der raumhohen Nordmann-Tanne. Oma, Opa, erwachsene Kinder mit Zuckowski-Nachwuchs in Maxi-Cosi-Schalen, kleine Mädchen in Flanellkleidern und Jungs, die so toben, dass "Tweety", Rolfs legendäre Gitarre, fast in die Krippe stürzt.

Und es wird gesungen, gesungen und gesungen. Altes Liedgut, neues Liedgut, Selbstkomponiertes mit Widmung und so viele Strophen "Tochter Zion", dass die Gans darüber knusprig wird.

Nach der Zuckowski-Begegnung erreichte meine Schaffenskrise ihren Höhepunkt.

Nicht geschafft, ein Lied einzuüben, nicht geschafft, das Weihnachtspapier mit selbst gemachten Moosgummi-Stempel zu bedrucken, nicht geschafft, die Rosenstöcke im Garten anzuhäufeln, nicht geschafft, immer fröhlich zu bleiben ...

Abrupt setzte ich beide Einkaufstüten in den Matsch. Schluss mit den Selbstgeißelungen.





Immer schön fröhlich sein, ab sofort, nicht erst Heiligabend

Uta