Mittwoch, 1. Februar 2012

"Der Zusammenbruch der Konsequenz in der Erziehung"


6.30 Uhr in Hamburg, minus 9,3 Grad Kälte, Dunkelheit, Geschichtsreferat. Nur noch spießige Shirts im Schrank, Duschgel leer. In der Seele eines männlichen Teenagers ist es das Grauen. Den Fuß lieber nicht setzen in das Wirrwarr aus Kopfhörer- und Aufladekabeln neben dem Bett, in das Wirrwarr neuer Anforderungen. Wieder einkuscheln gegen den Frost im Kopf. 7.15 Uhr. 9,2 Grad Kälte. Frühstück im Stehen, Eltern anstrengend wach. Diese zur Schau getragene Disziplin. Schwester sitzt schon im Bus. Fünftklässler, typisch.

Soll Kronprinz die Konsequenzen spüren und zu spät kommen am Tag seines Referats? Da steht er der Experte für "Der Zusammenbruch der Sowjetunion", übermüdet, Restfeuchte im Haar, sauer auf sich selbst. Ich stehe ihm gegenüber, ermüdet, sauer auf Kronprinz, Expertin für "Der Zusammenbruch der Konsequenz in der Erziehung".

Ich fahre ihn mit dem Auto. Das Gebläse überschlägt sich. Hinter uns zwei Busse der gleichen Linie. An der Haltestelle eine Traube von Eingemummten. Im Augenwinkel eine vertraute Kapuze. Vollbremsung. "Steig aus, hol deine Schwester!" - "Aber sie steigt doch schon in den Bus!" - "Hol deine Schwesterrrrr!" Meine Stimme schneidig wie der Ostwind draußen.

Beide Kinder und Frieden im Auto. Satter Vorsprung vor dem Bus. An der letzten Kreuzung vor der Schule singt Lindenberg das Lied von der Cellistin. "Mit dir, das war so groß", raucht die Udo-Stimme, "das kann man gar nicht beschreiben." Mit meinen Kindern, das ist so groß, denke ich. -"Danke", sagt mein Sohn und bückt sich noch einmal in die offene Beifahrertür. "Ich weiß gar nicht, ob ich mein Brot eingesteckt habe." - "Hast du ... viel Glück beim 'Zusammenbruch der Sowjetunion!"

Uta

Frost in der Seele, aufgenommen nach einem neuen Verfahren,  man sieht deutlich die kalte Referatswolke links