Freitag, 21. November 2014

Glückliche Familie Nr. 253: Das Rücklicht und ich


Wenn es einen Gegenstand gibt, der in mir das Muttertier weckt, dann ist es das Fahrradrücklicht. Für andere ist es vielleicht die wollene Mütze, ein Täfelchen Traubenzucker oder ein Brokkoli-Baum strotzend vor Vitaminen.

Bei mir ist es das Rücklicht. Wenn das nicht leuchtet, sehe ich Rot. Und zwar in einem irrationalem Ausmaß.



Nachbarn werden es beobachtet haben. Ich stehe in Schlafhose und Riesenpulli morgens vor der Haustür, eine Hand am Fahrradkorb von Prinzessin (13) (damit sie nicht davonrast), die andere Hand zerrt - auf einen Wackelkontakt hoffend - an den Kabeln des Rücklichts.

Ich meine, wir wohnen nur etwas mehr als 6000 Kilometer vom Polarkreis entfernt. In Murmansk kann es morgens nicht dunkler sein als in unserer Einfahrt. Und diese große Dunkelheit wird unsere Prinzessin verschlucken wie einen Gruß aus der Küche. "Haps." Weg ist sie.

In meinem Korb im Flur pflege ich ein Arsenal an Reflektorbändern. Einige davon sind von einem Versandhandel, den meine Nichte  "Der-besorgte-Mütter-Versandhandel" nennt. (Ich schreibe jetzt keinen Namen, weil es sein kann, dass wir eines Tages Werbepartner werden:-)) Mit diesen Reflektorbändern würde ich meine Kinder samt den Katzen gerne von unten bis oben bandagieren. Stattdessen nehme ich nur eines und verklette es zu Demo-Zwecken an meinem Arm. "Das kann Leben retten", sage ich, "binde es um deinen Arm und wenn du dich deiner Peergroup näherst, kannst du es schnell in der Tasche verschwinden lassen." Prinzessin rollt die Augen. "Oder du lässt es dran und setzt damit einen neuen Trend." Noch stärkeres Augenrollen.

Vor drei Wochen hatten wir ihr Rad in den Fahrradladen gebracht und knapp 40 Euro für die Reparatur der Lichtanlage bezahlt, damit sie für den Schulweg im Winter gerüstet ist. Und jetzt? Das Ding bleibt dunkel. Vorgestern haben wir das Fahrrad ins Wohnzimmer getragen, um den Defekt unter dem Licht unserer stärksten Stehlampe zu sezieren. Ich habe die Kontakte geprüft, das Rad hochgewuchtet und das Vorderrad in Schwung gebracht, dass die Haare flogen. Das Ergebnis: vorne großes Strahlen, hinten kein blasser Schimmer. Dann habe ich die Drähte herausgezogen, gereinigt und wieder eingesteckt. Neuer Test und es ward auch hinten Licht. Problem gelöst, mit einem fröhlich leuchtenden Rücklicht fuhr Prinzessin draußen im Garten herum. Der Schulweg am anderen Tag war gesichert.

Dachte ich.

Gestern morgen. Draußen wieder Murmanks-Schwärze verhängt mit Nebel a là "The hound of baskervilles". "Gut, dass das Rücklicht wieder funktioniert", dachte ich zufrieden, nahm einen großen Schluck Tee, schaute Prinzessin nach und ließ fast die Tasse fallen. Vorne 1000 Volt, hinten alles dunkel.

Am Abend das gleiche Spiel noch einmal: Ein Stück Isolierung von den Drahtenden entfernt und Rücklicht neu verdrahtet. Testfahrten durch den Garten mit einem Rad, das plötzlich wieder auf "Lichtorgel" macht. Mutter zufrieden. Hände gewaschen, Werkzeug weggeräumt.

Und heute morgen? Scheinwerfer strahlt, Rücklicht wieder Fehlanzeige, Mutter auf 180.

Frieren uns über Nacht im Schuppen die Kontakte ein?

Bin ich in eine "Verstehen-Sie-Spaß?"-Folge geraten?

Da landen wir mit Sonden auf dem Mars, können Smartphones per Fingerabdruck entsichern und schaffen es nicht, zuverlässige Leuchten für Kinderfahrräder zu entwickeln? Es hat doch nicht jeder einen Bastler zu Hause, der schon den Giro mitgefahren ist und nichts lieber macht, als vor dem Frühstück an der Isolierung von fehlerhaften Kontakten zu schnitzen.

Deshalb habe ich immer batteriebetriebene Lichter in einem Flur im Korb, die ich schnell noch hinten an den Fahrradkorb hängen kann.



Und diese Rückleuchte hat beim Fahrradlichter-Test der "Stiftung Warentest" von September 2013 gut abgeschnitten. Platz 3 (Note 1,4 für Zuverlässigkeit) und das bei einem mittleren Laden-Preis von 10 Euro.

Wenn wir das Problem nicht in den Griff kriegen, werde ich diese Lampe bestellen und euch davon berichten.

Meine Kinder fahren ohne Helm und manchmal bauchfrei zur Schule, aber beim Rücklicht verstehe ich keinen Spaß.

Bei welchem Thema erwacht bei euch das Muttertier?

Immer fröhlich Stecklichter und Testsieger verwenden und sonst einfach lächeln und winken.

Eure Uta