Sonntag, 5. Oktober 2014

Glückliche Familie Nr. 244: Yoga in den Stundenplan


Nachdem die glückliche, aber verspannte Familie diesen Geo-Artikel gelesen hat, haben wir eine Yoga-Lehrerin unseres Vertrauens gebeten, an einem Sonntagmittag zu uns nach Hause zu kommen und der ganzen Familie eine Yoga-Stunde zu geben. Der Esszimmertisch wurde verrückt und Matten ausgerollt. Und dann gingen wir "in den Hund" und "in die Kobra" und wurden menschliche Brezeln und ließen den Atem fließen oder gingen mit der Atmung dahin, wo unsere Körper dringend gedehnt werden sollten. Also überall.




Ich habe in meinem Leben schon den einen oder anderen Yoga-Kurs gemacht, aber jedes Mal denke ich wieder: "Bei all den Anweisungen, die ich befolgen soll,  - Beine strecken, Beckenboden anheben, Finger spreizen, Kopf locker zwischen den Schultern, Atem fließen lassen - fehlt nur noch, dass ich die Ohrläppchen anheben soll."

Und jedes Mal ist es eine große Wohltat für Leib und Seele.

Es ist, als würde mein Inneres wieder mit meiner äußeren Welt in Einklang kommen, als würden zwei Folien übereinander geschoben und ein stimmiges Bild ergeben. So schön.

Dieses schöne Gefühl wollten mein Mann und ich unseren Kindern vermitteln. Dazu hätten wir auch in einen Kurs gehen können. Aber da wir es für aussichtslos hielten, dass unsere Teenager sich mit Elternteilen, die in Jerseyhosen stecken und beim Sonnengruß von der Matte kippen, in der Öffentlichkeit zeigen, initiierten wir die Yoga-Stunde in unserem Wohnzimmer.

Als ich zwischen zwei Asanas auf der Matte lag und meine Gedanken unerlaubterweise abschweiften, musste ich an die Leute denken, die in diesen Tagen in Hamburg dafür Unterschriften sammeln, dass die Gymnasien parallel zu G8 wieder auch G9 anbieten sollen (also in neun, statt in acht Jahren zum Abitur). Und ihr fragt euch jetzt, was das mit Yoga zu tun hat.

Der Zusammenhang ist der, dass ich fest davon überzeugt bin, dass die einzige Reform, die wir - außer besserer Lehrerausbildung, strengerer Eignungstests für Pädagogen, mehr Unterstützung und Supervision für Lehrer an Schulen, mehr Fachkräfte in Kitas ... - also (fast) die einzige Reform, die wir wirklich brauchen, "Yoga in der Schule" ist.

Das sagt auch der Neurowissenschaftler Sat Bir Khalsa aus Harvard.

"Wir werden zunehmend mit Stressoren bombardiert, Hektik und Druck im Arbeitsleben, stetig präsentes Fernsehen und Internet. Unsere Welt ist sehr herausfordernd. Aber uns wird nicht vermittelt, wie man damit zurechtkommt, nicht in der Schule, nicht von den Eltern. Die leiden ja selbst. Yoga ist eine Technik, die hilft, mit Stress umzugehen."       Brand 1, Wirtschaftsmagazin, Ausgabe 04/2014: "Eine Sache der Disziplin"

Und weil es bisher überwiegend Frauen, Wohlhabende und Gebildete sind, die von Yoga profitieren, setzt sich Sat Bir Khalsa "für die flächendeckende Einführung von Yoga in öffentlichen Schulen ein".

Sat Bir Khalsa, wo sind deine Unterschriftenlisten?

Für Yoga in der Schule braucht es gar nicht viel. Die Grundschullehrerin vom Kronprinzen (heute 16) hat täglich vor Unterrichtsbeginn mit den Kindern eine Yoga-Übung gemacht, weil sie festgestellt hatte, dass es ihnen hilft, konzentrierter zu arbeiten. So standen dann 28 kleine "Bäume" im Klassenzimmer, das rechte Bein angewinkelt, den rechten Fuß an die Innenseite des linken Oberschenkels gedrückt, die Arme über dem Kopf gestreckt, den Blick fest auf einen Punkt an der Tafel geheftet.

Mein Mann und ich werden jetzt wieder regelmäßig Yoga üben. Ob die Kinder mitmachen werden, wird sich zeigen. Uns war es wichtig, dass sie es kennen lernen und als Möglichkeit mit in ihr Leben nehmen.

Unsere sonntägliche Yoga-Stunde endete damit, dass Familie Katzenklo ausgestreckt zwischen Klavier  und Sofa lag. Alle mit Tüchern bedeckt, als hätte es ein Massaker gegeben. Aber uns ging es gut. Sehr gut sogar. Antje, die Yoga-Lehrerin, stieg über uns drüber, um hier noch eine Hand zu lockern, dort noch eine Decke bis unters Kinn zu ziehen. "Mein Leben ist so wie es sein soll", sagte Antje sanft, "ich habe nichts gegen das, was gerade ist."

Immer fröhlich Yoga üben.

Eure Uta