Dienstag, 13. August 2013

Glückliche Familie Nr. 160: Die Reitstunde


Prinzessin (12) wollte wieder mit dem Reiten anfangen. Deshalb waren wir gestern zu einer Probe-Reitstunde in einem großen Stall, den wir nur vom Hören-Sagen kannten.

In der Halle vier Reitschülerinnen zwischen zehn und 13 Jahren, in der Mitte Herr Hohlbein*, der Leiter der Reitschule.

Es wurden Steigbügel nachgezogen, es wurde angetrabt, es wurde geschnaubt und gepupst (die Pferde), es wurde geschimpft (Herr Hohlbein).

Prinzessin musste mit Luna aus der Formation ausscheren und neben dem Reitlehrer halten.

Wie sie denn die Gerte halte und warum sie keine vernünftigen Reithandschuhe hätte und ob sie kein T-Shirt tragen könne, das nicht rutscht. Ein anderes Mädchen musste durchparieren, weil der Gurt unter ihrem Helm zu locker war.

Gut, dachte ich, der Mann legt Wert auf Sicherheit. Das ist wichtig in einem Reitstall.

"Ich habe gesagt 'angaloppieren'. Warum gibst du dem Pferd keine Hilfen? Du sollst hinten reinsitzen. Zügel lockerer." -"Zügel zu stramm." -"Fersen nach unten." - "Was machst du mit der Gerte?" - "Ach", Hohlbein lachte höhnisch, "heute setzten wir die Gerte mal ganz  e-m-o-t-i-o-n-a-l  ein."

In den ersten Runden warf Prinzessin mir ein Lächeln zu. Aber dann war es verloren gegangen in dem Gebrüll, dem braunen Staub, dem Klackern der nass gesabberten Trensen.

Gut, dachte ich, man soll die Kinder nicht in Watte packen, ein bisschen Disziplin und Ordnung kann nicht schaden.

"Soll das ein Zirkel sein, Annabell? Ich habe gesagt, du sollst den Zirkel ausreiten", brüllte Hohlbein, zog seine ärmellose Weste straff über die geschwollene Brust und räusperte sich: "Ich stehe in dem Ruf, dass ich meine, was ich sage..."

Hohlbeins Gebrüll in der ganzen Halle, nur ab und an ein Hufschlag gegen die Bande. Ein Kater schlich sich durch die Tür.

Viele Tiere hier, dachte ich, Pferde, Hunde, Katzen und ein Gockel.

"Der Herr Hohlbein", fragte ich eine Mutter, die neben mir auf der Tribüne saß, "ist der immer so oder hat er einen schlechten Tag?" -

"Das ist ein Reitlehrer der alten Schule. Aber die Kinder lernen viel." -

"Ach, und wie lange reitet ihre Tochter schon bei ihm?"-

"Zwei Jahre." -

"Und wie verträgt sie das so?" -

"Manchmal gibt es Tränen. Aber wir gehen immer zu ihm, weil bei ihm die Pferde so gut parieren."


Ja, "abäppeln" und die Reitlehrer alter Schule aus der Halle räumen! 

Jetzt hatte Hohlbein wieder Prinzessin im Visier. "Du sollst beim Leichttraben nur umsitzen, wenn der Rhythmus nicht stimmt. Nicht, weil ich dich anspreche." - "Okay, mach ich." - "Du sollst auch nicht 'okay' sagen, du sollst machen, was ich sage." - "Okay, ... äh, tschuldigung". "Du sollst mich auch nicht angucken, wenn ich mit dir spreche, sondern gucken, wo du hinreitest."

Mutter litt auf der Tribüne. Ich merkte, wie ich dem alten Gartenstuhl aus Plastik, in dem ich saß Galoppierhilfen gab, ich presste meinen Hintern tief in das schmuddelige Kissen, schlang meine Beine außen um die Stuhlbeine und drückte die Waden entschieden gegen das Plastik. Ich presste die Lippen zusammen, richtete meinen Blick starr auf die Bande. Der Stuhl parierte, aber das Gebrüll ging weiter.

Schließlich trottete ich erschöpft hinter Luna und Prinzessin in die Luna-Box. Prinzessin zerrte den Sattel vom Pferd. "Soll ich eine weitere Probestunde buchen?" fragte ich flüsternd. - "Bist du des Wahnsinns", zischte sie. "Hier komme ich nie wieder hin. Du kannst froh sein, dass ich dem Typen keine gelangt habe."

Mein Mund stand so weit offen, dass ein Strohballen hineingepasst hätte.

Benommen nahm ich den Reithelm, wir verabschiedeten uns.

"Ach, sieh mal einer an: Madame lässt Mama alles tragen und läuft unbeschwert nach Hause." -

In der Stallgasse drehte ich mich um. "Herr Hohlbein", sagte ich, "keine Sorge, diese Dinge regeln wir unter uns."

Dann war endlich Ruhe.

Jeden Tag lerne ich ein bisschen mehr Wehrhaftigkeit von meiner Tochter.

Immer fröhlich sich von den Kindern "eine Scheibe abschneiden" und sich nie abfinden mit dem Drill der "alten Schule", denn Lernen durch Erniedrigung hat noch nie funktioniert, auch wenn es immer noch Menschen gibt, die daran festhalten

Uta

*Name von der Bloggerin geändert