Freitag, 9. August 2013

Glückliche Familie Nr. 159: "Nerd"-Nachhilfe


Bei uns hat die Schule wieder angefangen. Neue Stundenpläne hängen in der Küche mit Spalten, die weit über die Blattmitte ragen. Prinzessin (12) hat zweimal pro Woche bis spätnachmittags Schule, Kronprinz (15) dreimal. Donnerstags ist er wegen der Bigband-Probe sogar von 8 bis 18 Uhr in dem roten Backsteinbau stadtauswärts.

"Darf ich vor dem Computer essen?"

Das ist die erste Frage, wenn sie heimkehren.

Vielleicht seid ihr jetzt geschockt, aber ja, gestern habe ich erlaubt, dass sich jeder gleich ins Zimmer verschanzte.

Prinzessin thronte mit Laptop und einer Schale Johannisbeeren in ihrem Bett.

Nebenan saß der Bruder im abgedunkelten Zimmer, die Füße in einer Schüssel mit kaltem Wasser, im Mund Garnelen-Curry vorm Vortag, der Blick starr auf dem Bildschirm.

Wieder unten trat ich auf die Terrasse. Die Sonne fingerte durch den Apfelbaum und sprenkelte die Kissen in der Hängematte, die niemand nutzt. An der Turnstange kein Kind, nur eine fette Spinne beim Schweinebaumeln.

Da könnte man den Blues kriegen. Den klassischen Eltern-Blues.

Warum tun sie nichts Sinnvolles? Frische Luft, Freunde treffen, Dosen kicken? Meinetwegen Freibad. "Ich fahr euch schnell."

Da fiel mir ein, was Tanja und Jonny Haeusler in ihrem Buch "Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet." schreiben:
"Als unser jüngster Sohn einmal nach der Schule Minecraft spielen wollte, schlugen wir vor, er möge doch stattdessen ... nach draußen gehen, um mit den anderen Kindern Fußball zu spielen. Doch er antwortete sehr bestimmt: 'Ich komme gerade aus der Schule. Ich habe den ganzen Tag mit vielen anderen Kindern und mit vielen Lehrern zu tun gehabt. Ich will jetzt einfach mal meine Ruhe haben und etwas alleine tun'." 

"Sinnvoll" und "Bildschirm" - für viele Eltern geht das nicht zusammen. Vor Cybermobbing wird gewarnt, Video-Spiele als Killergames diskreditiert.

Aber ist sinnvoll nur das Spiel mit der Waldorfpuppe unterm Hortensienbusch?




Ist immer sinnvoll, was ich in meiner Freizeit tue?

Meine Kinder könnten klagen: "Mama ist wieder draußen und schneidet Rosen. Dabei hat sie immer noch Lücken bei der Computer-Nutzung. Neulich wusste sie nicht einmal, was ein Browser ist. Wenn sie sich nur täglich eine halbe Stunde hinsetzen und sich mit den Programmen befassen würde, könnte sie in ihrer Altersklasse mithalten. Aber nein, dazu hat sie nicht die Disziplin. Vielleicht sollten wir einen 'Nerd' von unserer Schule fragen, ob er ihr Nachhilfe geben kann."

Sich immer fröhlich einen frischen Blick dafür bewahren, was unsere Kinder tun und wie wir es bewerten

Uta

PS: Liebe Seifenfrau, danke für den Netzgemüse-Buchtipp!