Dienstag, 25. Juni 2013

Glückliche Familie Nr. 152: Galoppierende Weiterentwicklung


Kennt ihr das, dass man etwas besonders gut machen möchte, und sich anstrengt, endlich oben auf dem Pferd zu sitzen, und dann auf der anderen Seite wieder vom Pferd herunter fällt.

Nein, ich bin keine Reiterin. Das ist nur ein Bild. Ein Bild dafür, dass man bei dem Bemühen, eine Situation zu verändern, ins andere Extrem fallen und auch wieder im Sand liegen kann.

Ich wollte Prinzessin (12) strengere Vorschriften auferlegen. Das hat mit dem Seminar zu tun, das mein Mann und ich neulich besucht haben. Dort wurden wir gefragt, ob wir es aushalten würden, uns bei unseren Kindern unbeliebt zu machen, wenn wir klare Grenzen ziehen. (Das Thema "Grenzen" hat es wirklich in sich, findet ihr nicht?)

Kaum wieder zu Hause, straffte ich also die Schultern und bat Prinzessin (12), mir die Kleider zu zeigen, die sie für das Klassenfest an der Elbe in ihre Tasche gestopft hatte. Ich fühlte mich wie das Sicherheitspersonal am Flughafen, bereit mit einem Piepser an ihrem Körper entlang zu fahren und Bikini-Oberteile aufzuspüren, die zu sexy sind.

Können wir nicht in unsere Haustür einen Piepser einbauen, der jedes Mal Alarm schlägt, wenn jemand zu scharf gekleidet über die Schwelle tritt? Und wenn die Zeugen Jehovas mit ihren Blättchen kommen und es piepst, wissen wir, dass wir die Anlage zu scharf eingestellt haben.

Prinzessin bereitete den Inhalt ihrer Tasche auf dem Fußboden aus. T-Shirt, kurze Hose, Bikini, Flipflops, Handtuch ... Und ich fragte mich, wonach ich eigentlich gesucht hatte. Schließlich ging sie zum Strandfest und nicht zum Schulgottesdienst.

Eins aber hatte ich erreicht: ich konnte ausprobieren, ob ich es aushalte, mich unbeliebt zu machen. Prinzessin ist nämlich seither stinksauer auf mich.

"Euer Seminar da, das war doch ein Beziehungstraining, oder?", kläffte sie. "Eins kann ich schon mal mit Sicherheit sagen: die Beziehung zu den Kindern verschlechtert sich deutlich."

Zum Glück hat das Seminar mich auch gelehrt, jedes Problem im Leben freudig zu begrüßen, weil es eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung bereit hält.

Also hier meine Weiterentwicklung:
  • Grenze, ja, Misstrauen und Stasi-ähnliche Kontrollen, nein!
  • Ich höre auf, mir selber die Geschichte zu erzählen, ich sei kindheitsbedingt prüde und nicht in der Lage, das Thema Sexualität vernünftig zu vermitteln.
  • Schluss mit dem Herum-Eiern und mit der ständigen Frage: 'Mache ich in der Erziehung etwas falsch?' Hinter Prinzessin steht eine Königin, nicht ohne Fehler, aber stark und klar. 

Hatte kein Bild von Pferd und Königin, aber hier sieht es doch aus, als käme sie jeden Moment um die Ecke galoppiert, oder? - Foto von der Internationalen Gartenschau (igs) in Hamburg.

Immer fröhlich stark und klar sein

Uta