Mittwoch, 2. Mai 2012

Glückliche Familie Nr. 41: Tonleiter mit Katze




Interview mit der Klavierlehrerin und Pianistin 
Petra Bleser-Arp

Teil 2 

Machen Sie Vorgaben, wie lange die Kinder üben sollen? 
Wenn sie zehn Jahre alt sind, empfehle ich jeweils eine halbe Stunde. Manche üben nur zehn Minuten, wenn sie noch jünger sind. Zehn Minuten jeden Tag ist besser als einmal in der Woche eine Stunde. 
Manche Klavierlehrer halten Kinder dazu an, Stücke fehlerfrei durchzuspielen. Heute sagt man doch, dass Fehler wichtig sind, weil man daraus lernt. Wie halten Sie das mit der Fehlerlosigkeit? 
Man muss analysieren, warum man Fehler macht. Habe ich das Stück gar nicht verstanden? Ist es technisch bedingt? Oder ist es Unkonzentriertheit? Wenn ich es dreimal hintereinander spiele, spiele ich es nicht mehr gut. Unser Gehirn langweilt sich sofort. Ich kann nicht eine Stelle immer wieder gleich üben, dann wird es schlechter. Deshalb brauche ich jedes Mal, wenn ich eine Tonleiter übe, eine andere Aufgabe. Zum Beispiel die Vorstellung, dass eine Katze einen Baum hochklettert und ein Vogel vor ihr flieht. Wenn ich eine Sequenz öfter üben will, helfen Bilder, um dem Gehirn immer wieder Anreize zu geben. 
Mir ist jetzt klar geworden, dass wenn der Lehrer keine klaren Anforderungen stellt, man als Eltern ... aufgeschmissen ist. Da kann man sich die Zähne ausbeißen und hat nur Stress.
Ja, das stimmt, weil man im Grunde genommen als Eltern den Lehrer überholen muss. Das will der Schüler gar nicht. Das kennen sie bestimmt auch, wenn sie zu Hause sagen, du kannst doch schon mal ein Stück weiter üben, antwortet das Kind: Nein, auf gar keinen Fall, das hat sie mir nicht aufgegeben. Kein Lehrer lässt sich gerne sagen, dass er zu lasch ist. Trotzdem sollten Sie das Thema ansprechen. 
In einem Hörfunkbeitrag haben Sie gesagt, dass Sie mal an einen Punkt gekommen waren, wo Sie nicht weitermachen wollten wie bisher. 
Das stimmt, ich habe den Unterricht verwandelt. Ich habe gelernt, dass man rein kommt und fragt: „Na, was haben wir denn heute?“ Furchtbar. Als Lehrer muss ich doch genau im Bilde sein, wo jeder Schüler steht. Da habe ich mir geschworen, dass ich das so nicht will. Ich will auch nicht „forte“ und „piano“ ins Notenheft eintragen, ohne dass der Schüler das nachvollziehen kann. Und ich will auch nicht daneben sitzen und hoffen, dass der nächste Ton endlich mal der Richtige wird. Diese Anstrengung, die sich in einem selber ausbreitet, weil man innerlich die Musik schon vorweg hört, ist furchtbar. Und weil das auch für den Schüler so nicht geht, habe ich mir Bücher über die Funktionsweise des Gehirns durchgelesen und an vielen Workshops teilgenommen. Der Grundtenor war immer, wie wichtig die Schulung des Ohres ist. Deshalb sollten Eltern mit ihren Kindern in Konzerte gehen. 



Was machen Sie noch, um Ihre Schüler zum Üben anzuhalten? 
Ich habe ein Übetagebuch entwickelt nach dem Vorbild des Kinderbuches „Gregs Tagebuch“. Da trage ich mit dem Schüler ein, was er an welchem Tag üben soll. Schließlich können sie nicht jeden Tag das Gleiche spielen, das will ja kein Kind. Und dann können sie abzeichnen, ob sie die Einheit absolviert haben oder nicht. Außerdem gebe ich ihnen hin und wieder einen Fragebogen. In dem können sie Wünsche äußern. Und ich schreibe Zeugnisse. Ich mache mir über jede Stunde Notizen, das zeige ich den Schülern, damit sie wissen, das geht nicht unter. Und nach einem Jahr formuliere ich ein Zeugnis, keine Ziffernnoten, sondern so beschreibend wie die Waldorf-Lehrer das machen. 
Was Sie machen ist das Spaßpädagogik oder disziplinierte Arbeit? 
Das fragte auch die Hörfunk-Journalistin, die einen Beitrag über mich gemacht hat. Sie hat meinen Unterricht mitgeschnitten. Danach wurde ihr klar, ich lasse gar nichts laufen. Das denkt nur der Schüler. Man muss als Lehrer das Ziel haben, dass es Freude macht. Man macht nicht Musik, weil man muss. Musik ist der innerste Ausdruck, den es gibt. 

Sie konzentrieren sich mehr auf die Stärken der Schüler als auf ihre Schwächen?
Ja. Kinder können manchmal Sachen, die wir nicht können. Ein kleiner Schüler von mir spielte mit nur drei Fingern total geschickt alle möglichen Stücke. Da habe ich gesagt: „Du, das könnte ich überhaupt nicht.“ Schon ist er zehn Zentimeter gewachsen.  Ich glaube immer an die Musikalität eines Kindes, weil ich schon einige Wunder erlebt habe. Manchmal habe ich lange gewartet und irgendwann kommt es. Damit habe ich dem Kind ein Grundgefühl fürs Leben mitgegeben. Nicht unbedingt, dass es später musiziert, aber eine bessere Organisation im Inneren erreicht. Den Glauben daran nicht zu verlieren, ist essentiell.


Am Freitag poste ich den letzten Teil des Interviews. Dann gibt es auch ein paar konkrete Tipps für alle Eltern.

Immer schon fröhlich bleiben

Uta