Montag, 2. Juli 2012

Glückliche Familie Nr. 59: Alles richtig in San Francisco


Auf dem Buchrücken von einem unserer Reiseführer steht der Satz "Einmal im Leben alles richtig machen". Er soll dafür werben, diesen Reiseführer zu kaufen, einen Flug zu buchen und ein "perfektes Wochenende" in einer Großstadt seiner Wahl zu verbringen.

"Einmal alles richtig machen" - als würde man sonst alles falsch machen. Das ist die Einstellung für garantiertes Unzufriedensein.

Gerade beim Reisen überfällt mich diese kleine gemeine Einstellung manchmal hinterrücks. Gucken wir das Richtige an? Zeigen wir den Kindern genug? Sollten wir ihnen mehr Hintergrund vermitteln? Warum lesen sie nicht selber im Reiseführer?

Es gibt Eltern, die ihre Kinder dazu anhalten, kleine Referate über den Reichstag, das Empire State Building oder den Eiffelturm auszuarbeiten. Wir gehören nicht dazu. Aber, hey, als wir jetzt in San Francisco waren (wir sind schnell rübergeflogen, als ihr noch geschlafen habt), kannte Kronprinz (14) die wichtigsten Verkehrsadern von San Francisco, weil er auf der Playstation schon so viele Straßenrennen hier gefahren ist. Zählt das auch?

Ich will nicht "alles richtig machen", ich will keine Top-Ten-Listen oder Haltestellen von Stadtrundfahrten abarbeiten. Ich will mir nicht das Gefühl einimpfen lassen, wir könnten irgendetwas verpassen.

Im Flieger nach San Francisco habe ich mir überlegt, was ich selber möchte, ohne dass irgendein Reiseführer uns ein Programm überstülpt. Als ich die kleine Liste meinem Mann im Flieger über den Gang reichte, weiteten sich seine Augen vor Entsetzen.
  1. mit dem Fahrrad über die Golden-Gate-Bridge fahren
  2. frühstücken im Cafè "Mama`s"
  3. mit Inlinern den Golden-Gate-Park erkunden
  4. an der Bay-Küste joggen
  5. in der "Tartine Bakery" einen Bread-Pudding mit Früchten essen
Das Entsetzen meines Mannes bezog sich vor allem auf das Fahrradfahren. Er fährt schon zu Hause kein Fahrrad. Warum sollte er das auf der Golden-Gate-Bridge tun mit einem Leihrad unterm Hintern und einem peinlichen Helm auf dem Kopf? 

Also einigten wir uns darauf, mit dem Auto über die berühmte Brücke zu fahren und an einem Aussichtspunkt auf der gegenüberliegenden Seite ein Sun-Downer-Picknick zu machen.

Auf zum Sun-Downer-Picknick!                                                                                                                             Foto: Kronprinz

Gestern Abend war es soweit. Ich hatte Sandwiches und Limo besorgt und eine große Decke in den Rucksack gestopft. An unserem Hotel hatten wir einen klaren Blick über die Bay und ich eine große Vorfreude im Herzen. Je mehr wir uns aber der berühmten Brücke näherten, desto mehr Dunst zog auf.  Schließlich sahen wir die Brücke erst, als wir schon drauf fuhren. Wir bewegten uns durch eine große dichte Wolke, konnten schemenhaft die Pfeiler des Wahrzeichens erkennen. Der Pazifik und die Bucht waren nur blaue Kleckse auf dem kleinen Schirm des Navis. 
"Nächstes Jahr fahren wir an die Mecklenburger Seenplatte", grummelte mein Liebster. Der Schweibenwischer quieschte, die Kinder wischten mit den Ärmeln an den Autoscheiben herum. 

Auf dem Aussichtsplatz oberhalb der Brücke waren schemenhaft ein paar Bänke und eine öffentliche Toilette zu erkennen. Ich knöpfte die Regenjacke zu und rannte mit den Kindern einen Pfad hoch und wieder runter. "Willst du nicht auch sehen, dass es nichts zu sehen gibt?" riefen wir meinem Mann zu. Durchnässt haben wir dann im Auto unsere Sandwiches gegessen.

So ein All-around-fog-Picknick findet man in keinem Reiseführer.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta